Mit drei Mopeds unterwegs

Beim 3:0-Erfolg gegen Russland setzt der deutsche Bundestrainer Joachim Löw erneut auf junge und schnelle Spieler. DFB-Chef Reinhard Grindel erinnert der Erneuerungsprozess des Teams an die Experimente beim Confed Cup vor gut einem Jahr

Verdammt fix auf den Beinen: Roman Neustädter (l.) kann Timo Werner nur hinterherschauen Foto: dpa

Aus Leipzig Frank Hellmann

Joachim Löw hatte im Pressekonferenzraum der Leipziger Arena lange an der Heizung gelehnt, um nach dem offiziellen Teil endlich mit Stanislaw Tschertschessow plaudern zu können. Die beiden kennen sich aus der Zeit in Innsbruck, wo sich der eine in den Anfängen seiner Trainerkarriere versuchte, während sich der andere in der Endphase seiner Spielerkarriere befand.

Diesmal sprachen die beiden Nationaltrainer über eine andere Gemeinsamkeit: Beide bleiben mit ihren Teams übers Wochenende in der Stadt, von der aus dann die Weiterreise zu den jeweils letzten Pflichtspielen des Jahres erfolgt. Russland möchte in Schweden innerhalb der Nations League den Aufstieg dingfest machen, während Deutschland in Gelsenkirchen das neue Wettbewerbsformat bereits vor dem abschließenden Gruppenspiel gegen die Niederlande (Montag 20.45 Uhr/ARD) nicht mehr zur richtigen Erfolgs­story umschreiben kann. Nur eines zählt für den Bundestrainer: „Wir haben gegen Holland etwas gutzumachen.“

Ansonsten ist auch seinem Vorgesetzten Reinhard Grindel die Nations League ziemlich egal, denn für den DFB-Präsidenten steht der Erneuerungsprozess vorne an. Ihn habe der Auftritt „ein bisschen an die Confed-Cup-Gruppe erinnert“. Grindel sagte: „Dieses Gesicht der neuen Mannschaft entwickelt sich jetzt langsam. Das stimmt einen zuversichtlich.“

Löws Kollege Tschertschessow hatte allerdings auch ein wenig dabei geholfen, dass ein deutsches Publikum vor lauter Freude mal wieder La-Ola-Wellen über die Ränge schwappen ließ. „Wir waren in der ersten Halbzeit auf das Tempo der deutschen Mannschaft nicht gut vorbereitet“, gestand Tschertschessow nach der 0:3-Niederlage etwas kleinlaut ein.

„In der ersten Halbzeit haben wir ein sehr gutes Tempo gespielt. Wir haben versucht, die erste und zweite Reihe der Russen zu überspielen und eine Dynamik aufzubauen. Zwei der drei Tore waren sehr gut herausgespielt“, analysierte dagegen Löw zufrieden. Leroy Sané (8.) und der überragende Serge Gnabry (40.) legten Zeugnis davon ab, dass die Nachwuchskräfte durchaus auch Tore schießen können. Löw sagte, er habe speziell von der Offensive „den Killerinstinkt“ sehen wollen. Den bewies zudem der aufgerückte Abwehrchef Niklas Süle, der das zwischenzeitliche 2:0 (25.) besorgte. Der Premierentorschütze im DFB-Dress war froh, dass er nicht selbst gegen das Trio Sané-Gnabry-Werner antreten musste. Vorne, sagte Süle, seien „drei Mopeds“ unterwegs.

Zum schnellen Jugendstil gibt es eigentlich keine Alternative. Gleichwohl wollte Löw seinen formstarken Stürmern noch keine Einsatzgarantie für den Jahresabschluss auf Schalke geben. Marco Reus soll vielleicht am Sonntag wieder trainieren, dann will der Bundestrainer über ein Mitwirken entscheiden. Und Julian Brandt und Thomas Müller seien ja auch noch da. Doch gerade Letzterer wirkte nach seiner Einwechslung erneut glücklos.

Neben Müller (29 Jahre/99 Länderspiele) saß auch Mats Hummels (29/69) auf der Bank. Und dann fehlte noch Toni Kroos (28/90), der sich fürs Weitermachen nach dem WM-Desaster den Vorteil ausbedungen hat, seine Tatkraft nicht mehr in allen Länderspielen anzubieten. Kroos stieß am Freitag zum DFB-Tross, aber selbst er könnte den Status der Unverzichtbarkeit mittelfristig verlieren. Kai Havertz von Bayer Leverkusen empfahl sich für die Rolle als Ballverteiler. Der 19-jährige Mittelfeldallrounder bringt alles mit, um in absehbarer Zeit zum Leistungsträger zu reifen.