wortwechsel
: Dies ist eine erschreckende Welt

Sind Männer das Problem, wenn es um Gewalt in der Partnerschaft geht? Was tut der Staatsschutz gegen Nazis? Schützt Macron mit einem höheren Spritpreis die Umwelt?

Gewalt an Frauen: Protestaktion der NGO Rio de Paz in Brasilien Foto: Felipe Dana/ap

Gewalt an Männern

„Männer gefährden die Gesundheit“,

taz vom 21. 11. 18

Die aktuellen Zahlen zur Partnerschaftsgewalt sind erschreckend. Erschreckend ist auch die Überschrift der taz! „Männer gefährden die Gesundheit“ mag zutreffen, wenn die offiziellen Zahlen genommen werden, so wie es unter anderem Ministerin Giffey getan hat, aber es ist nur die eine Seite der traurigen Thematik. Die andere Seite hätte aus Partnerschaftsgewalt ein Genderthema machen können, statt ein Männer-contra-Frauen-Statement.

Laut der von Giffey vorgelegten Polizeistatistik sind in fast einem Fünftel aller bekannten Fälle Männer die Opfer, und ich hoffe mal nicht, dass nun alle LeserInnen davon ausgehen, sie seien allesamt Opfer in schwulen Beziehungen. Der Polizei, aber auch vielen Beratungsstellen ist sehr bewusst, dass das Tabu und die Hemmschwelle für Männer, häusliche Gewalt offenzulegen oder sogar anzuzeigen, enorm hoch ist, die Dunkelziffer also erheblich sein dürfte. Mitunter gibt es reale Zahlen wie aus Sachsen, wo anhand der Anzeigen tatsächlich gut ein Drittel der Opfer männlichen Geschlechts ist. Sachsens Gleichstellungsministerin Petra Kopping geht von einer hohen Dunkelziffer aus, auch die Stadt Stuttgart, die ein Pilotprojekt für betroffene Männer aufgelegt hat.

Dennoch werden nun als Konsequenz aus den aktuellen Zahlen nahezu ausschließlich Frauen als Opfer behandelt und es wird nahezu ausschließlich nur Hilfe für Frauen gefordert – die zweifelsohne richtig und notwendig ist. Aber besser wäre es in „Genderzeiten“, nicht so zu tun, als ob Gewalt gegen Männer nicht schlimm sei. Es gibt bundesweit nur eine Handvoll Beratungsstellen, an die sich Männer wenden können, und es gibt in Deutschland nicht mal eine zweistellige Zahl von Wohnungen und Häusern, in die Männer notfalls flüchten können. Gleichstellungspolitik klingt immer schön, aber sie wird nur dann Gendermainstream gerecht, wenn sie Frauen wie Männer einbezieht. Jörg Wilhelm, Wiesbaden

Täterarbeit ist nötig

„Gewalt gegen Frauen skandalisieren“, taz vom 21. 11. 18

Einen Hinweis erlaube ich mir als Gewaltberater zu dem in der Gesamtheit sehr guten Kommentar zum Anstieg häuslicher Gewalt. Beratungsstellen müssen ausgebaut werden. Aber nicht nur die Beratungsstellen für die Opfer. Täter sollten über eine Beratung in die Lage versetzt werden, sich gegen die Gewalt zu entscheiden. Täterarbeit ist Opferschutz. Wird diese Arbeit vernachlässigt, ist der Kreislauf der Gewalt kaum zu stoppen. Michael Reiske, Rheine

„Präsident der Reichen“

„Es tut noch nicht weh genug“,

taz vom 17. 11. 18

Bei aller Kritik am Unwillen und an der Verzagtheit deutscher Politiker in der Ökopolitik, die ich teile, finde ich es doch haarsträubend, Emmanuel Macron als Vorbild für die Energiewendepolitik darzustellen. Nur ein Beispiel: Der Anteil des Atomstroms an der Stromerzeugung soll von jetzt über 70 Prozent auf 50 Prozent im „Horizont“ 2035 (statt ursprünglich 2025) zurückgefahren werden. Ein solcher „Horizont“ liegt ganz nah am Sankt-Nim­merleins-Tag. Und hat nicht gerade erst der beliebte Umweltminister Nicolas Hulot verzweifelt das Handtuch geworfen?

Macrons Umfragewerte sind sicher nicht im Keller, weil man ihm zu viel Umweltpolitik vorwirft. Selbst viele der Demonstranten in den gelben Westen halten das Ökologieargument nur für vorgeschoben. Die geplante Steuer auf Benzin und Diesel – natürlich ist Flugzeug- und Schiffstreibstoff von der Besteuerung ausgenommen – soll 3,7 Milliarden Euro einbringen, aber nur knapp 20 Prozent davon sind für die Energiewende bestimmt, darunter auch die Subventionierung der Umrüstung auf „sauberere“ Dieselfahrzeuge und der Forschung zur Atomenergie. Macht 0,2 Prozent des Staatshaushalts mehr für die Energiewende – whow! Der Löwenanteil geht an die allgemeinen Haushalte des Staates und der Gebietskörperschaften.

In ländlichen Gebieten für eine entsprechende Infrastruktur wie Nahverkehr, öffentliche Einrichtungen, Post, Läden und deren Finanzierung zu sorgen, davon ist nicht die Rede. Auf die Idee, für Menschen mit geringem Einkommen Kompensation vorzusehen, kommt der „Präsident der Reichen“ ebenso wenig. Solche Dinge tragen zur Delegitimierung des Umweltschutzes bei.

Alle diese Dinge sind unschwer der französischen Presse zu entnehmen, zum Beispiel der eigentlich Macron-freundlichen Libération. Auch die Artikel von taz-Korrespondent Rudolf Balmer sollten doch den Macron-Hype dämpfen helfen, man sollte nicht nur die EU-politischen Initiativen sehen (nebenbei: EU-Finanzminister und EU-Armee – noch mal „whow“, diese Vision ruft richtige Begeisterungsstürme der Europäer für die EU hervor!).

Eine taz-Sonderseite zur französischen Umweltpolitik wäre doch mal angebracht. Richard Nisius, Ammerbuch

Merkwürdige Justiz

„Ich bin gerade beschossen worden“ über den Neonaziangriff auf Leipzig-­Connewitz, taz vom 16. 11. 18

Aiko Kempen berichtet klar über Leipziger Geschehnisse in Connewitz und wie sie nicht vollständig geahndet werden. Man kann das so verstehen, als ob die Leipziger Staatsanwaltschaft, die beteiligten Richter und Anwälte der Gewalttäter mit ihren Absprachen gedeckt werden vom Sächsischen Justizministerium, das letztlich politisch verantwortlich ist für das Vorgehen der Staatsanwaltschaft. Wenn die bekannten und betroffenen Zeugen der Vorgänge nicht gehört werden und diese Täter bei dem heutigen Bewusstsein für merkwürdiges Vorgehen der sächsischen Justiz mit unwesentlichen Strafen praktisch weiter tun können, was sie wollen, liegt offenbar Rechtsbeugung vor.

Ist das die Angst, bei der Machtübernahme durch Nazis in Sachsen geliefert zu sein? Der Rechtsstaat steht hier offensichtlich überhaupt nicht für den Erhalt des Staates ein. Der Leserbrief auf Seite sechs ergänzt und benennt es richtig. „Den Rest erledigt der deutsche Untertanengeist“! Ernst-Friedrich Harmsen, Berlin

Angst vor blinder Polizei

„Ich bin gerade beschossen worden“,

taz vom 16. 11. 18

Das erinnert mich an ähnliche Vorgänge während der Weimarer Republik, die zumindest einen Beitrag zu deren Niedergang geleistet haben. Polizei und Justiz überschlagen sich in ihrem Eifer bei Verfolgung und Bestrafung der Täter im Zusammenhang mit den G20-Krawallen und überschreiten dabei sogar die Grenzen des Rechtssystems, waren ja sogar im Vorfeld prophylaktisch entsprechend aktiv. Bei den Krawallen in Leipzig-Connewitz dagegen herrschen eine gewisse Gleichgültigkeit und Nachsicht vor. Aber kann man etwas anderes erwarten, wenn ein Herr Maaßen zum „Berater“ der geistigen Hintermänner wird. Mir wird Angst vor dieser einseitig blinden Polizei und Justiz! Uwe Spieckermann , Buchholz

Nennen wir es Wahl

„Und wieder wankt der Watschnbaum“,

taz vom 10. 11. 18

Das ist eine tolle Geschichte über die Zukunftsaussichten der CSU und deren Nochvorsitzenden. Doch etwas stört mich immens: das Wort Kampfabstimmung.

Wahl zum CDU-Vorsitz: Kampfabstimmung; Wahl zum CSU-Vorsitz: Kampfabstimmung; Wahl zum Spitzenkandidaten der EVP: Kampfabstimmung.

Nein. Es handelt sich um keine Kampfabstimmungen. Es handelt sich um Wahlen, bei denen WählerInnen zwischen mehreren KandidatInnen wählen dürfen. Nennen wir es doch Wahl. Demokratie. Mitsprache. Entscheidung zwischen zwei oder mehr engagierten Menschen, Konzepten, Ideen. Wie langweilig waren doch die Wahlen zum 100-Prozent-Schulz oder die Prognosen für: „Bekommt Merkel mehr oder weniger als 95 Prozent und was bedeutet es, wenn nicht?“ Freuen wir uns doch darauf, dass selbst in den großen Parteien ein echter Diskurs anstehen wird. Fabian Keppler-Stobrawe, Erbendorf