Andrea Schroeder und Wenzel betätigen sich als Songschreiber bzw. Liedermacher

Singer/Songwriter singen Songs mit englischen Texten. Liedermacher singen Lieder mit deutschen Texten. Andrea Schroeder ist weder sowohl das eine als auch das andere: Sie singt ihre englischen Texte sehr bewusst mit deutschem Akzent. Denn so wie Schroeder ihn auf ihrem Debütalbum „Blackbild“ einsetzt, ist der Akzent kein Versehen, sondern ein Stilmittel.

Ein Stilmittel, das die aus dem Wedding stammende Schroeder in eine Tradition stellt, die nicht erst mit Nico beginnt und auch nicht mit mancher Gothic-Combo endet, die sich der deutschen Romantik verpflichtet fühlte und die eigene Herkunft noch durch die fremde Sprache durchscheinen lassen wollte. Ein Stilmittel, das aber immer noch ziemlich irritierend sein kann, nicht nur, wenn Schroeder davon singt, dass sie sich zurück auf den Weg nach Wichita macht.

Durch den deutschen Tonfall entsteht eine Differenz zum Vortrag, die einerseits ausdrücklich auf die Texte hinweist, es Schroeder andererseits aber erst ermöglicht, diese Texte zu singen. Denn die sind gespickt mit ausgelutschten Metaphern wie den Tränen, die zum Fluss anschwellen, um ins Meer der Liebe zu fließen. Sie handeln von Seelen, die es zu fühlen gilt, von Herzen, die langsam schlagen, und vom Tod, der um die Ecke wartet. Schroeder aber singt diese Texte, so schlicht sie manchmal sein mögen, mit einem heiligen Ernst, der sie aus dem Popkosmos entführt und zum Kunstlied erhebt.

Diesen Eindruck verstärkt noch die Instrumentierung. „Blackbird“ entstand unter der Regie von Chris Eckman, der als Mastermind der Walkabouts einst entscheidend dazu beigetragen hat, die Americana zum Exportschlager in Europa zu machen. Eckman hat Schroeders Lieder mit einer Essenz aus nordamerikanischen Roots-Musiken bebildert: Gitarren wehen vorbei wie karge Büsche durch die Wüste, die Wurlitzer jammert angetrunken aus der Saloon-Ecke, und ein Cello durchmisst in epischen Bögen die Weite des Graslands. Es ist das Verdienst dieses Albums, all diese Klischees so deutlich auszustellen, dass sie zu ihrer Essenz gerinnen und – wie die Texte auch – wieder ohne Ironie hörbar werden.

Eine ganz andere Textaufgabe stellte sich Hans-Eckhardt Wenzel. Der Liedermacher durfte sich – neben Kollegen wie Billy Bragg oder Jeff Tweedy – schon vor Jahren durch den riesigen Nachlass von Woody Guthrie wühlen und einige Texte ins Deutsche übersetzen und vertonen. Anlässlich von Guthries 100. Geburtstag bringt Wenzel nun Live-Versionen einiger Bearbeitungen unter dem Titel „Woody 100“ heraus.

Das klingt recht anders als das, was man von Wenzel sonst kennt, schon weil Guthrie offensichtlich sehr viel seltener über Alkohol geschrieben hat als der Berliner. Weil der aber ein paar seiner eigenen Lieder dazwischengeschmuggelt hat, bilden die nun in ihrer so derben wie poetischen Selbstverliebtheit einen schönen Kontrast zu Guthries Texten. Und machen erst klar, welch wundervolle, weil einfache Sprache der allererste Singer/Songwriter benutzte. Eine Sprache, die bis heute keine ironische Distanz nötig hat.

THOMAS WINKLER

■ Andrea Schroeder: „Blackbird“ (Glitterhouse/Indigo), live: 29. 9., Roter Salon; Wenzel & Band: „Woody 100“ (Matrosenblau/Indigo), live: 28. 9., Wabe