Wulffs Zumutungen schlagen voll durch

HAUSHALTSPLÄNE „Verfassungswidrig“ und „der Ruin kommunalen Selbstverwaltung“: In Niedersachsen steht der Nachtragshaushalt von Schwarz-Gelb unter schwerem Beschuss von Opposition und Rechnungshof

Jüttner sieht ein Milliarden-Loch, auf im „Fantasiehaushalt“ keine Antwort fehle

Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) und Finanzminister Hartmut Möllring (CDU) sollten sich warm anziehen, wenn am Mittwoch im Landtag der dritte Nachtragshaushalt zur Debatte steht. Seit Tagen nimmt die Opposition das vom Landesrechnungshof als „verfassungswidrig“ eingestufte Papier unter Beschuss. Gestern kündigte SPD-Fraktionschef Wolfgang Jüttner einen Antrag auf Aussetzung der Beratungen an, bis die Landesregierung einen „beratungsfähigen Entwurf“ vorlegt, respektive bis klar sei, was die Bundesregierung an weiteren Zumutungen für die Länder beschließt.

Die Grünen haben eine Aktuelle Stunde beantragt – zum Finanzdesaster, das durch die Berliner Koalition auf das Land zu rolle, und zur „unrühmlichen Rolle“, die CDU-Präside Wulff dabei gespielt habe, so Fraktions-Chef Stefan Wenzel.

Wulffs medienwirksames FDP-Bashing nannte Jüttner einen „inszenierten Wutausbruch“ und erinnerte an dessen jüngste Forderung, es müsse „auch Zumutungen geben“. Niedersachsen könne keine mehr verkraften, konterte Jüttner.

Unterstützt von SPD-Haushälterin Renate Geuter erklärte er den Nachtragshaushalt zur Makulatur, nicht nur wegen der „Budgettricksereien“ (taz berichtete). Auf mindestens 1,55 Milliarden Euro bezifferte Geuter das Loch, welches die Berliner Pläne zum Umbau des Steuersystems in die Landeskasse reißen würden. Weitere 800 Millionen koste Niedersachsen der Länderfinanzausgleich. Jüttner prohezeite ein 3,2 Milliarden-Defizit in der mittleren Finanzplanung, auf das Möllrings „Fantasiehaushalt“ keine Antworten habe.

Zur Abfederung will die SPD einen „Stabilisierungsfonds“ einrichten, der den gebeutelten Kommunen wie in Rheinland-Pfalz „Einnahmen auf dem Durchschnittsniveau der vergangenen Jahre sichert“, sagte Geuter. Auch Linken-Fraktionschef Manfred Sohn forderte „Soforthilfen“ und eine Neugestaltung des kommunalen Finanzausgleichs, denn der Haushaltsentwurf untergrabe die kommunale Selbstverwaltung.

Beim Niedersächsischen Städtetag in Bad Pyrmont vorgestern hätten sie damit Beifall gefunden. Noch mehr als das landeseigene Dilemma fürchtete man dort aber die in Berlin geplante Aufhebung der Mehrwertsteuerbefreiung für kommunale Unternehmen. Da werde „der Privatisierung Vorschub geleistet“ klagten die Bürgermeister. Sollte es dabei bleiben, rechnen sie mit einer Steigerung der Müll- und Abwassergebühren um 19 Prozent. Städtetagspräsident Ulrich Mädge (SPD) mahnte Wulff deshalb dringlich, „diesen Blödsinn“ zu verhindern. MQ