Charisma-Spende vom Gute-Laune-Onkel

RYDER CUP Basketball-Ikone Michael Jordan soll den US-Golfern als Teamspirit-Trainer den Sieg bringen

„Er ist einer von uns und wir wollen ihn einfach gern um uns herum haben“

US-Kapitän Davis Love III.

AACHEN taz | Das Jahr 1999 spielt eine große Rolle für den Ryder Cup, der am Wochenende in Medinah bei Chicago zum 39. Mal ausgetragen wird. Damals stellte der Spanier José Maria Olazábal, jetzt Kapitän des europäischen Teams, über dem Atlantik einen kuriosen Rekord auf. Er lochte einen Put über 14,86 Kilometer Länge ein. Auf dem Mittelgang-Teppich der Concorde, mit der das Ryder-Cup-Team Europa in die USA flog, war sein Ball in handgestoppten 26,17 Sekunden zwar nur rund 50 Meter unterwegs, dabei aber war man halt mit 1.270 Meilen pro Stunde weitergeflogen. Als offizielle Quelle firmiert British Airways.

1999 war auch das Jahr, als in Brookline, Massachusetts, US-Fans die europäischen Spieler anpöbelten, bespuckten und johlend in ihrer Konzentration störten. Spieler, Caddies und tausende Zuschauer trampelten bereits siegestrunken übers letzte Grün, obwohl eben jener José María Olazábal für Europa noch hätte ausgleichen können. „Die Schande von Brookline“, als der Begriff „Golf Hooligans“ erfunden wurde, war der Höhepunkt amerikanischer Patriotismusexzesse beim Kontinentalduell: 1991 trug Corey Pavin in Anlehnung an die US-Invasion im Irak eine Baseballkappe mit der Aufschrift „Desert Storm“. Das Turnier lief unter dem Titel „War on the shore“ (Krieg an der Küste). 1997 meinte Scott Hoch über seinen englischen Kollegen Nick Faldo: „Mit dem zu spielen macht so viel Spaß wie mit Saddam Hussein.“

1999 in Brookline wurde auch der Zuschauer Michael Jordan vom Ryder-Cup-Flair infiziert. Basketballlegende Air Jordan, eine der größten Ikonen des US-Sports, war damals erstmals bei einem Heimspiel dabei und erkannte schnell: „Der Ryder Cup ist das Olympia des Golf.“ Jetzt ist Jordan offizieller Assistent der US-Mannschaft – als Motivator und Teamspirit-Beauftragter.

Jordan, 49, sagt, „die Teamkomponente“ werde im Individualistensport Golf „meist fahrlässig unterschätzt“. Die meisten Spieler (die USA haben vier Neulinge dabei) hätten nie auf höchstem Level in einer Mannschaft gespielt. Ryder Cup aber verlange ein „hohes Maß an Bindekraft untereinander“. All das hat Europa oft den Sieg gebracht, gerade wenn die USA mal wieder als Favorit gestartet waren (wie diesmal, wie meist). Jordan ahnt: „Mir scheint, dass die Europäer traditionell eine größere gemeinschaftliche Bande pflegen.“ Diese zu erzeugen, könne „für ein Team hoch infektiös sein“.

Und das ist seine Aufgabe: Jordan wird mit seinem Charisma im Umkleideraum dabei sein, er darf jederzeit ins Teamhotel. Er wird mutmaßlich flammende Reden halten, wird eine Art Gute-Laune-Onkel geben und die Spieler unterwegs begleiten. Jordan sagt, er wolle dafür sorgen, dass seine Landsleute „mehr in gegenseitige Beziehung treten und daraus Energie saugen.“ Es sind Sätze wie aus der Bibel professioneller Motivationsgurus. Der Rest ist seine gelebte Erfahrung: „In jeder Meistermannschaft gibt es Leader, gibt es Mitläufer, jeder hat eine bestimmte Rolle, die zum Erfolg etwas Entscheidendes beigesteuert hat.“

Jordan, mit Tiger Woods befreundet und beide als Nike-Ikonen auch geschäftlich liiert, hatte vom US-Kapitän Davis Love III. 1984 die ersten Golfschläger geschenkt bekommen und mit ihm die erste Runde gespielt. „Seitdem“, sagt Jordan, „hänge ich beim Golf am Haken“. Seit Jahren spielt er ein grandioses Amateur-Handicap zwischen 1 und 3. Davis Love sagt: „Er ist einer von uns, und wir wollen ihn einfach gern um uns herum haben. Er wird seinen Einfluss schon haben“, und verweist auf die alte Floskel „Be Like Mike“. Respektvoll argwöhnt der englische Guardian: „Es kann passieren, dass der Einzige im US-Team, der keinen einzigen Schlag macht, die alles entscheidende Rolle spielt.“

BERND MÜLLENDER