meinungsstark
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Mir sträubt sich die Tastatur

„Arme Lehrer“, taz vom 14. 11. 18

Jetzt reicht’s! Diese ständigen demagogischen Artikel in der taz gegen die Berufsgruppe, die unter anderem die Klientel dieser Zeitung ausmacht, kann ich nicht mehr ertragen. Unter dem Deckmantel der objektiven Berichterstattung werden immer wieder dieselben Vorurteile gegenüber Lehrern (!), eine Frau ist dann abgebildet, heruntergebetet und mit „weltweiten Studien“ belegt, um dann beispielhaft die vermeintliche Gewalt an der Schule, die Respektlosigkeit gegenüber den Lehrenden, den angeblich hohen Freizeitanteil, die Ignoranz gegenüber der Digitalisierung et cetera – es sträubt sich mir die Tastatur – als Wahrheit zu verkaufen.

Mir macht es Freude, mich auf den Unterricht vorzubereiten, neueste Forschungsergebnisse mit meinen SchülerInnen im Leistungsfach zu diskutieren, Theateraufführungen durchzuführen – auch wenn dabei für alle Beteiligten viele Wochenenden benötigt werden – und die meisten Menschen begegnen mir und meinen KollegInnen mit Respekt. Es gibt sie noch, die Gymnasien, die sich der Sozialpädagogisierung des Berufes mit letzter Kraft entgegenstellen. Unserer Gesellschaft täte es gut, wieder die Denkprozesse in das Zentrum der Schule zu rücken und SchulpsychologInnen und SozialarbeiterInnen für die Probleme anzustellen, für die Mathe-, Physik-, Deutsch- und GeschichtslehrerInnen nicht ausgebildet sind. Für die berufliche Weiterbildung muss Geld investiert werden, das zur Zeit nicht zur Verfügung gestellt wird; für mein Fach bekomme ich alle zwei Jahre eine fachbezogene Weiterbildung angeboten, an einem Tag von 9 bis 16 Uhr. Das reicht nicht!

Die Stundenzahl muss insbesondere für das Gymnasium herabgesetzt werden, weil die autodidaktische Weiterbildung, die Vorbereitung auf den Unterricht und die Korrektur einer vierstündigen Klausur Zeit kosten. Wir brauchen ein zentralistisches Bildungssystem, in das der Bund investieren darf, das für ganz Deutschland gilt – ein Bildungsprogramm, von WissenschaftlerInnen, LehrerInnen, SchülerInnen und Eltern ausgearbeitet, das mindestens für 8 Jahre Geltung haben muss und verlässlich ist.

Liebe taz, ihr verliert aus den Augen, dass eine Gesellschaft denkende Menschen braucht! Wenn ihr immer diejenigen fertigmacht, die eigentlich die Grundlage dafür schaffen, dass diese Demokratie am Leben erhalten wird, indem ihr ihnen vorwerft, Aufgaben nicht zu erledigen, die erst in dritter Linie zu ihrem Beruf gehören, dann grabt ihr euch das Wasser ab! Ich als Betroffene empfinde das als eine mediale Hetzjagd, die mit meinem Alltag überhaupt nicht übereinstimmt.

Renate Heeren, Rahden, Gymnasiallehrerin