Bild dir deine Sklavin

Mit #UnfollowPatriarchy startet die Organisation „Gender Equality Media“ eine Kampagne gegen sexistische und Gewalt relativierende Berichterstattung

Die vom IS im Irak entführte Jesidin Nadia Murad 2017 beim Grünen-Bundesparteitag in Berlin Foto: Rainer Jensen/dpa

Von Patricia Hecht

Als die jesidische Menschenrechtsaktivistin Nadia Murad und der Gynäkologe Denis Mukwege im Oktober den Friedensnobelpreis bekamen, twitterte der Leiter des Parlamentsbüros der Bild-Zeitung: „Friedensnobelpreis für Ex-ISIS-Sexsklavin und Arzt“. „Ich glaube, man würdigt ihre Arbeit als Aktivistin gegen sexuelle Gewalt (…) und nicht ihr Ex-Sklavendasein“, antwortete eine Nutzerin. Eine andere schrieb: „Für Bild ist Vergewaltigung kein Verbrechen, sondern Sex.“

Auch die Organisation „Gender Equality Media“, die gegen sexistische Berichterstattung in Medien arbeitet, meldete sich zu Wort – und macht aus Vorfällen wie diesen nun eine Kampagne. #UnfollowPatriarchy startet am Freitag, will sexistische Inhalte oder Bilder dokumentieren und JournalistInnen, die für diese Inhalte verantwortlich sind, direkt ansprechen. „Deutsche Medien haben ein Sexismus-Problem“, sagte Philipp Greiner aus dem Vorstand von Gender Equality Media (GEM) der taz. „Wir wollen die Öffentlichkeit und JournalistInnen dafür sensibilisieren und einen Kulturwandel in der Medienlandschaft hinbekommen“.

#UnfollowPatriarchy ist die zweite Kampagne von GEM. Die erste war #StopBildSexism, die sich seit 2014 konkret gegen den Sexismus der Bild-Zeitung richtet und die mittlerweile von mehr als 100 PolitikerInnen und Organisationen unterstützt wird, darunter dem Deutschen Frauenrat oder UN Women. Nun soll es um die Medienlandschaft als ganze gehen, außerdem sollen Verantwortliche Überschriften oder Formulierungen wenn möglich direkt ändern.

„Wir analysieren täglich 14 Print- und Onlinemedien, darunter die Süddeutsche Zeitung, die Zeit oder den Focus“, sagte Greiner. Klar sei: „Medialer Sexismus hat viele Gesichter“. So würden zum Beispiel Frauen und ihre Lebensleistung wie im Fall von Nadia Murad oft entkoppelt. Zudem werde häufig Gewalt verschleiert. Wenn ein Mann seine Frau umbringt, was in Deutschland alle drei Tage der Fall ist, sei häufig von einem „Familiendrama“ die Rede.

Wenn ein Mann seine Frau umbringt, heißt das häufig „Familiendrama“

Bis März soll deshalb in Zusammenarbeit mit JournalistInnen ein „Gender Fair Media Kodex“ entstehen, der beschreibt, wie Sexismus in Medien vorgebeugt werden kann. Das Ziel sei, eine geschlechtergerechte und diskriminierungsarme Berichterstattung in Redaktionen und Verlagen zu etablieren – zum Beispiel, indem in Texten oder Beiträgen nicht weit überwiegend Männer zu Wort kommen. Eine Studie zum Thema hat GEM darüber hinaus auch in Arbeit.

„Wir haben in den letzten Wochen schon mal getestet, ob wir damit Erfolg haben können, JournalistInnen direkt auf Sexismus hinzuweisen“, sagte Greiner. Bei der Ostsee-Zeitung etwa hat das geklappt: Dort wurde aus „Streit um Sex“ letztlich eine Vergewaltigung.

Bild-Journalist Ralf Schuler hingegen zeigte sich uneinsichtig. Ein paar Stunden nach dem ersten Tweet über Nadia Murad twitterte er noch einmal über sie. Diesmal: „Die mutige Ex-ISIS-Sexsklavin mit der leisen Stimme.“