: Der Rohstoff der Demokratie
„Frankfurter Positionen“: Die Historikerin Ute Daniel sprach über „Die Wahrheit der Fake News“
Von Rudolf Walther
Donald Trump bzw. seine Pressesprecherin haben zwar den Ausdruck „alternative Fakten“ geprägt, aber mit strategischem Kalkül erfundene Lügen und Legenden sind natürlich viel älter als Trumps Präsidentschaft. In der im Rahmen der Veranstaltung „Frankfurter Positionen“ organisierten Vortragsreihe des Instituts für Sozialforschung zum Thema „Demokratie und Wahrheit“ referierte am Dienstag die in Braunschweig lehrende Historikerin Ute Daniel über das Thema „Die Wahrheit der Fake News“.
Aktuell und brisant ist an Fake News der Nachweis, dass Trump nach der Zählung der New York Times bisher rund vierhundertmal Lügen verbreitet und erwiesene Tatbestände bestritten hat. Dass dieser Befund bisher nicht zu Trumps Problem geworden ist, liegt daran, dass keine diskutierende Öffentlichkeit mehr existiert, sondern nur noch partielle Öffentlichkeiten, also quasiöffentliche Foren, in denen jedes nur seine eigene Wahrheit kennt und anerkennt und alle anderen Foren ignoriert oder als „Lügenpresse“ abstempelt. Das ist der politische Kern, dem die Vortragsreihe „Demokratie und Wahrheit“ gewidmet ist.
Der Begriff „Fake News“ ist ein Teil dieses Problems und bezieht sich auf mindestens drei Akteure, wie die Historikerin verdeutlichte: Kämpferische Politiker können ihre Argumente und Interessen ebenso mit Fake News verstärken wie kämpferische Medien gegen solche Politiker. Und als dritter Akteur kommen Blogger, Social Media, Chats und Kampf-Plattformen ins Spiel, die totalisierend fast alles zu Lügen und Gerüchten erklären, was nicht in ihre Realitätswahrnehmung passt.
Trump ist nicht der einzige Politiker, der sich im Krieg mit den Medien wähnt. Auch die Präsidenten Indonesiens und Ägyptens schlugen diesen Kurs ein, und selbst Macrons Partei „La République en Marche“ erwägt Gesetze gegen Fake News und Hassreden in Wahlkämpfen. Wie die Tatbestände Fake News und Hassreden ab- und einzugrenzen sind, ist für Diktatoren kein Problem, für rechtsstaatliche Demokraten dagegen ein unlösbares Problem.
Neu ist das Lügen so wenig wie das Warnen vor Betrügern in allen Berufen, nicht nur in der Politik. Georg Paul Höhns „Betrugslexikon“ (1721) bezichtigt von den Abgesandten, Ärzten und Advokaten bis zu Zeitungsschreibern, Zolleinnehmern und Zuckerbäckern alle Berufe, die ihre Interessen auch mit Fake News vertreten, als Betrüger.
Spätestens seit dem 19. Jahrhundert existiert zwischen Politikern und Medienvertretern ein Vertraulichkeitskartell, das in der Weimarer Republik von Rechten und Konservativen, die sich mit der Republik von 1918 nicht abfinden wollten, „Systempresse“ genannt wurde. Auf gegenseitige Vertraulichkeit sind Politiker und Medienleute angewiesen, weil der eine ohne sie keine Politik und die anderen ohne sie keine Zeitung machen könnten.
„Ohne vertrauliche Informationen und Hintergrundgespräche zwischen Journalisten und Politikern gäbe es keinen nennenswerten Politjournalismus“, heißt es im Buch Ute Daniels über „Beziehungsgeschichten“ zwischen Politik und Medien im 20. Jahrhundert (Hamburger Edition, 2018). Die Formen dieser Beziehung haben sich zeitlich und örtlich verschieden ausgeprägt. In England zum Beispiel sind Pressekonferenzen der Regierung erst unter Tony Blair eingeführt worden. In Demokratien, autoritären Demokratien und erst recht in Diktaturen sitzen die Politiker prinzipiell am längeren Hebel. Trump verweigerte jüngst einem Journalisten von CNN den Zugang zu Pressekonferenzen und damit zu Informationen; in Ungarn und Polen knebelt die Politik die Medien zu zahmen Verlautbarungsorganen, und Diktatoren wie Erdoğan werfen Journalisten ins Gefängnis.
Die Historikerin machte zum eingangs erwähnten Kernproblem Andeutungen, wonach sich Demokratien von Verunsicherungspropheten ebenso distanzieren müssten wie von Eingriffen der Regierungen. Was das in der realen Medienlandschaft bedeutet, blieb etwas unterbelichtet.
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