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„Keinem ist verboten, Fehler zu machen“

Hermann-Josef Tenhagen von „Finanztipp“ zum neuen Gesetz, das Selbst­ständige mit kleinem Einkommen bei der Krankenversicherung entlastet

taz: Die Krankenversicherung wird für viele Selbständige ab 2019 günstiger. Wenn Selbständige sich bisher gesetzlich versichern wollten, setzten die Kassen ein „fiktives Mindesteinkommen“ von monatlich 2.284 Euro an. Ab 2019 sind es 1.038 Euro. Wie kommt es zu solchen Zahlen?

Hermann-Josef ­Tenhagen: Das Mindesteinkommen ist ganz einfach eine politische Annahme über das Mindesteinkommen von Selbstständigen, was man natürlich ein bisschen blauäugig nennen kann, denn viele Selbstständige haben die bisherige Höhe eben gar nicht erreicht. Obwohl sie schon knapp bemessen ist, denn mit ihrem Einkommen müssen Selbstständige ja auch noch ihre komplette Absicherung finanzieren. Und wer später einmal 1.000 Euro gesetzliche Rente haben möchte, müsste heute mindestens 600 Euro pro Monat in die Rentenkasse einzahlen, da bleibt dann nicht mehr viel übrig. Das Problem war der Politik bekannt, es wurde aber lange Zeit nicht darauf reagiert.

Lässt sich sagen, wie viele Selbstständige von der Neuregelung profitieren?

Den offiziellen Zahlen zufolge sind 200.000 Personen betroffen, tatsächlich dürften es aber weitaus mehr sein. Es sind schließlich auch viele Teilzeitselbstständige betroffen, die nur geringe Einnahmen haben. Auch für sie gilt jetzt dieselbe Bemessungsgrenze, ohne dass der Umfang ihrer Tätigkeit wie zuvor von der Krankenkasse geprüft werden muss. Das ist der Lobbyarbeit verschiedener Gruppen zu verdanken, etwa den Hebammen.

Ist durch Senkung der Mindestbeiträge die private Krankenversicherung für Selbstständige mit moderatem Einkommen zukünftig kein Thema mehr?

Die private Krankenversicherung war wirtschaftlich ja nur deshalb ein Thema, weil die Einstiegsbeiträge für junge Selbstständige unter den Krankenkassensätzen lagen. Das ist vorbei, die meisten Angebote der privaten Krankenkassen dürften jetzt nicht mehr unter dem neuen Mindestbeitragssatz liegen, von einzelnen Lockangeboten mal abgesehen. Allerdings gilt auch weiterhin: Keinem ist verboten, wirtschaftliche Fehler zu machen. Grundsätzlich ist die private Krankenversicherung nur eine tragfähige Option für Gutverdienende oder Beamte, für Selbstständige im Bereich des Mindesteinkommens hat sich das schon bisher auf Dauer nicht gelohnt.

FDP und Linkspartei fordern die weitere Senkung der Mindestbemessungsgrenze auf 450 Euro – ist das eine gute Idee? Oder sollte man lieber das Künstlersozialkassen-Modell auf alle Selbstständigen übertragen, also einen Teil der Beiträge durch Umlagen oder Steuereinnahmen finanzieren?

Die aktuelle Halbierung des Mindestbeitrags ist schon mal ein Riesenfortschritt, aber man könnte es natürlich noch einfacher machen, in dem man die Mindestbemessungsgrundlage – so heißt das – weiter senkt. Das Modell Künstlersozialkasse kann man nicht so einfach auf alle Selbstständigen ausdehnen, denn es lässt gegenüber den Steuern zahlenden Arbeitnehmern nur sehr schwer rechtfertigen, warum sie mit ihrem Geld einen Teil der Krankenkassenbeiträge von Selbstständigen übernehmen sollen. Schließlich ist das ja jedem selbst überlassen, ob er als Angestellter arbeitet und der Arbeitgeber die Hälfte der Beiträge übernimmt, oder als Selbstständiger für alles selbst verantwortlich ist.Interview: Ansgar Warner