Schäubles heile Welt

Versöhnen statt spalten – so will Angela Merkels Kompetenzmann die neue Außenpolitik gestalten

BERLIN taz ■ Er war in Washington. Er war in Peking. Und am Mittwoch auch noch in Moskau. Wolfgang Schäuble kommt viel herum in diesen Wochen, und er erzählt gern von seinen Reisen. Gestern berichtete Schäuble, er habe all seinen Gesprächspartnern erklärt, dass sich eine unionsgeführte Bundesregierung vor allem um Ausgleich bemühen werde. Anders als Rot-Grün, so Schäuble, wolle man jeden Anschein neuer Achsen, Sonderwege und Alleingänge vermeiden. Deutschland als weltweiter Moderator, und er fängt schon mal an. Sein Job als außenpolitischer Kompetenzmann der CDU scheint Schäuble Spaß zu machen. Obwohl dieser Job nicht einer gewissen Ironie entbehrt. Oder vielleicht gerade deshalb?

Ausgerechnet Schäuble, der von Angela Merkel oft gedemütigt wurde – zuletzt bei der Bundespräsidentenwahl –, soll jetzt die größte Schwäche der Kanzlerkandidatin übertünchen. Die Außenpolitik ist das einzige Thema, bei dem Merkel keine Schnitte gegen Kanzler Gerhard Schröder macht. Nichts an Rot-Grün war populärer als das Nein zum Irakkrieg. Weil Merkel das weiß, umgeht sie alles Außenpolitische, was ihr womöglich im Wahlkampf schaden könnte: Fotos mit George Bush zum Beispiel. Ob Merkels Rechnung aufgeht oder ob ihr diese Feigheit schadet, hängt vor allem von Schäuble ab. Er fliegt dorthin, wo sich Merkel nicht blicken lassen möchte, und daraus bezieht er seine Stärke. Schäuble kann bisher weitgehend alleine Leitlinien einer neuen, unionsgeführten Außenpolitik definieren. Dabei klingt er bisweilen wie – Johannes Rau. Schäuble vermittelt den Eindruck, als wolle die Union außenpolitisch vor allem eines: versöhnen statt spalten.

Eine von Schröder gepflegte „Achse“ zwischen Deutschland, Russland und Frankreich, die sich gegen andere richte, soll es nicht mehr geben. Das habe er auch in Moskau klar gesagt. Anders als Rot-Grün wolle die Union wieder beides verbinden: europäische Einigung und transatlantische Partnerschaft. Probleme mit den USA sollen künftig in einem anderen Stil gelöst werden. Die Aufnahme der Türkei in die EU etwa sei zwar „ein Thema, wo wir unterschiedlicher Meinung sind“, aber, so Schäuble: „Das wird kein Konfliktthema.“ Und auch kein Wahlkampfreißer. Es bestehe in der Türkei-Frage „kein Zuspitzungsbedarf“, sagt Schäuble. Er ist Merkels mit Abstand bester Diplomat. Fragt sich nur, ob er dafür auch belohnt wird. LUKAS WALLRAFF

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