HARALD KELLER DER WOCHENENDKRIMI
: Rockerfilm, der rockt

Eigentlich sollte man den Sonntagskrimi im Ersten, insbesondere den „Tatort“, mal eine Zeitlang ignorieren. Viel zu viel Aufhebens wird gemacht um diese oft so angestrengten, wenig glaubwürdigen Filmchen, bei denen der produktionstechnische Aufwand in keinem Verhältnis zum Ergebnis steht, vergleicht man sie etwa mit den britischen „Montags-Serien“ bei ZDFneo wie „Scott & Bailey“ oder „Spooks“, die Folge für Folge durch logische Handlungsführung, gute Schauspieler und gekonnte visuelle Umsetzung überzeugen. Was nur selten, schon gar nicht in dieser Kombination, auf die ARD-Prestigekrimis zutrifft.

Ausnahmen bestätigen die Regel, und dazu zählen die NDR-Beiträge zur Reihe „Polizeiruf 110“ mit dem Rostocker Ermittlerpaar Katrin König (Anneke Kim Sarnau) und Alexander Bukow (Charly Hübner). Zum Glück hat die fortgeschrittene Harmonisierung ein Ende, zanken sie in der aktuellen Folge wieder. Wobei sie zu norddeutscher Einsilbigkeit neigt, er eher spontan und blumig daherredet. Auf die unappetitliche Szenerie am Ort des Verbrechens reagiert sie nur mit „Fuck“, er mit der rhetorischen Frage: „Hat hier ein Vampir gekotzt oder was?“ Prächtig.

Die Ermittlungen führen ins Rockermilieu und man muss dem Autor und Regisseur Eoin Moore hoch anrechnen, dass er sich zu diesem Thema vorab kundig gemacht hat. Ohnehin gerieten Drehbuch und dessen Umsetzung außerordentlich stimmig. Endlich mal Polizisten, die nicht langatmig und ausschweifend ihre Arbeit erklären, weil TV-Redakteure fürchten, der Zuschauer könnte nicht mehr folgen. Eoin Moore weiß visuell zu erzählen, fotogen, dabei mit Augenmerk für authentische und relevante Details, und er kann auf exzellente Schauspieler bauen. Wenn Katrin König beim Betrachten eines Familienfotos seelischen Schmerz empfindet, vermittelt sich dies bar jeder Worte. So sieht gutes fiktionales Fernsehen aus.

Rostock-„Polizeiruf 110: Stillschweigen“, So., 20.15 Uhr, ARD