DIE BAND THE XX
: Rubinroter Dienstag

Ich kaufe eine Bionade für auf den Weg

Zum Frühstück ein Apfel. Ich trinke einen Kaffee und klappe meinen Rechner auf. Das Leben findet außerhalb dieser Kiste statt, meint der Mitbewohner. Das Leben außerhalb hat unmittelbar mit dem Leben innerhalb dieser Kiste zu tun, jedenfalls für mich, antworte ich, bin mir aber nicht sicher. Ich bin für die normale Welt verloren. Die Temperaturen stürzen, ich schreibe über die Sonne. Gänge ins Blaue. Erledigungen.

Es ist bitterkalt. Ich setze mich in den Milchladen am Oranienplatz und vertilge Schupfnudeln. Mit Pilzen. Im Lido am Abend erleide ich einen Misanthropieanfall. Männer mit Zehn-Tage-Bärten. Großflächig bedruckten T-Shirts. Extra verwuschelten Nichtfrisuren und einem ollen Grinsen darunter. Männer, denen man in den Schlaf soufflieren möchte, nimm diesen Quatsch aus der Nasenscheidewand (das müssen Schmerzen gewesen sein). Männer mit Profilache. Männer, die aussehen wie die außerirdische Version des jungen Mike Love. Aber da war auch eine mit einem schönen Blick. Immerhin ist die Soziopathie nicht mehr drogenbedingt und psychedelisch wie noch vor zwölf Jahren. Sie führt nicht mehr zu Panik. Die Menge wird ordentlich in klammer Instrumentalmusik gebadet. Dunkle Mollakkorde. Es gibt Auditorien, die depressiv machen, selbst wenn man selbst gerade Teil dieser Auditorien ist. Man muss die ganze Klaviatur beherrschen, die lila, die rosa, die hellblauen Töne, überlege ich, genauso wie die schwarzen, bösen, hässlichen, deprimierenden, tieftraurigen, blauen. Die dunkelroten. Die Band, The XX, spielt gegen alles an, spielt alles weg. Musik zum Sich-hinter-den-Zug-Werfen. Es gibt keine Zugabe. Draußen ist Nacht, ich kaufe eine Bionade für auf den Weg, es gibt Kässpätzle mit Röstzwiebeln, als ich nach Hause komme, Mousse au chocolat, und jemand mit einem wunderbaren R sitzt gegenüber auf dem Sofa. RENÉ HAMANN