berliner szenen Oh my God!

Ab in die Stadt

Seit sieben Wochen schieben sich die Berlinbesucher durch meine geliehene Charlottenburger Wohnung mit Katze. Immer sag ich: „Ich wohn zurzeit in Charlottenburg, da isses wie auf dem Land. Wie zu Hause. Wartet, bis ich in Kreuzberg wohne, da gibt es zum Beispiel türkische Neonazis zu sehen“, aber niemand lässt sich abschrecken. Haben doch schließlich alle meine Touristen die Vorstellung, man könne von der Wilmersdorfer Straße zum Alex gehen. Zu Fuß! Eine hat es ausprobiert, die brauchte dann anschließend kein aufwändiges Berlin-Szene-Kneipen-Programm mehr.

„In die Stadt“ wollen die immer alle. Jedes Mal überleg ich, wo denn hier wohl „die Stadt“ sein könnte, und finde dann, der Zoo ist schon in der Stadt, und von da aus kann man dann weiter sehen. Zum Brandenburger Tor wollte mein Tourist aus Bayern. Wird gemacht, kein Problem. Dort angekommen, wollte auch er wieder schnell weg aus der Stadt. Doch vorher musste er noch Ansichtskarten neben dem Starbucks kaufen, und ich überlegte, ob der mich noch mal besuchen sollte. Später kam eine Karte aus Bayern nach Berlin: „Berlin rockt. Berlin burnt.“ Er wird wohl im nächsten Sommer wiederkommen. Dann werd ich mit ihm den Fernsehturm hochfahren, das hat er dann davon. Oder ich stelle ihn in der Schlange vor dem Reichstag ab und geh noch mal schlafen.

Mit dem nächsten Touristen geh ich irgendwohin, wo die Nenafrisur-Berliner ihre Getränke auf Englisch bestellen und sich mit „Oh my God!! I haven’t seen you for ages!!!“ begrüßen, auf dem Klo dann aber doch in akzentfreiem Deutsch nach dem Klopapier von nebenan fragen. Der will dann hoffentlich nie wieder „in die Stadt“. LAURA EWERT