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: Glotz wollte keinen Revanchismus

Das „Zentrum gegen Vertreibungen“ in Berlin steht unter keinem guten Stern. Nach der Würgerei mit der katholischen St.-Michael-Gemeinde, die in Beschimpfungen seitens der Vertriebenen-Funktionärin Erika Steinbach endete, nun also der Tod des Stiftungsvorsitzenden Peter Glotz. Dieser integre Intellektuelle schien noch den Hauch einer Möglichkeit zu gewährleisten, dass aus dem geplanten Vertreibungen-Zentrum etwas anderes wird als ein revanchistisches Vertriebenen-Zentrum, in dem Menschen ihrer Heimat nachweinen, die sie meist nur noch vom Hörensagen kennen. Nun aber, ohne Glotz, werden aller Voraussicht nach die Hardliner im „Bund der Vertriebenen“ wieder obenauf sein. Und das wäre eine schlechte Nachricht.

KOMMENTAR VON PHILIPP GESSLER

Glotz nahm man ab, dass es ihm tatsächlich nicht um Revanchismus, um ein schleichendes „Heim ins Reich“ der verlorenen Ostgebiete nach dem Zweiten Weltkrieg der Deutschen ging. Wer jemals auch nur Ausschnitte seiner Texte zur eigenen Vertreibung und seiner heutigen Interpretation dieser Erfahrung gelesen hat, verstand, dass es ihm ernst war mit der Maxime: Dieses „Zentrum gegen Vertreibungen“ sollte sich aller Vertreibungen des schrecklichen 20. Jahrhunderts in Europa annehmen, wie Glotz immer wieder betonte. Er wollte die Deutschen nicht als Opfer der Geschichte darstellen, um ihre Täterschaft an Weltkrieg und Holocaust zu verschleiern. Ihm kaufte man das ab.

Nun aber fehlt er – und dieses Vakuum werden aller Voraussicht nach die füllen, denen es im Vergleich zu Glotz an Weitsicht, Internationalität und Klugheit gebricht. Steinbach mag ja vielleicht guten Willens sein, aber sie hat nicht das Format, die Mittel- und Osteuropäer davon zu überzeugen, dass dieses Zentrum in der alten deutschen Hauptstadt doch gar nichts Böses wolle. Dies wäre der richtige Zeitpunkt, alles noch einmal auf null zu setzen und von vorne zu diskutieren. Mit den Osteuropäern.

siehe auch schwerpunkt SEITE 5