Mehr als nur 1-Euro-Jobs

Stelle statt Stütze: Das neue Programm des Senats für Berliner Arbeitslosengeld-II-Bezieher fördert die Schaffung regulärer Jobs in kleinen Betrieben. Damit ist Arbeitslosen und Unternehmen geholfen

von RICHARD ROTHER

Wenn am 1. September ihr neuer Mitarbeiter anfängt, fällt Yvonne Franzke ein Stein vom Herzen. „Allein schaff ich das nicht mehr“, sagt die Managerin eines kleinen Musikklubs nebst Veranstaltungsraum in Friedrichshain. Das Geschäft entwickle sich gut, zudem müsse sie ihre beiden Kinder allein erziehen. Ab 1. September geht ihr Tom Lee Who zur Hand, organisiert vor allem Konzerte. Franzke: „Ohne das Stelle-statt-Stütze-Programm wäre das nicht machbar.“

In der Vergangenheit hat Berlin mit dem Programm, das über 4.000 arbeitslosen Sozialhilfeempfängern sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse bot, gute Erfahrungen gemacht: Vier Fünftel von ihnen konnten auch nach Auslaufen der Senatsförderung im Job bleiben. Mit der Einführung der umstrittenen Arbeitsmarktreform Hartz IV war es damit vorbei – der so genannte Verschiebebahnhof zwischen Sozial- und Arbeitsamt wurde stillgelegt. Jetzt hat der rot-rote Senat eine Möglichkeit gefunden, dieses Programm unter veränderten Bedingungen fortzusetzen – obwohl die Hartz-IV-Philosophie vor allem 1-Euro-Jobs, die so genannten Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung, favorisiert.

Beim neuen Stelle-statt-Stütze-Programm erhält der Arbeitgeber maximal neun Monate lang einen Zuschuss von 1.000 Euro pro Monat, wenn er einen Berliner Arbeitslosengeld-II-Bezieher einstellt. Das Unternehmen – angesprochen werden vor allem kleinere und mittlere – muss den Betroffenen dafür qualifizieren. Dies könne aber auch durch Learning by Doing geschehen, müsse aber nachgewiesen werden, erläutert Reiner Aster von der Beschäftigungsgesellschaft gsub, die das Programm betreut. Im Unterschied zum alten Programm müssen Beschäftigte auf unbefristete Zeit eingestellt werden. Aber: Sollte sich das Beschäftigungsverhältnis als nicht dauerhaft tragfähig erweisen, droht nur in Ausnahmefällen die Rückzahlung der Förderung.

Finanziert wird das Programm, das bis Jahresende rund 600 Stellen schaffen soll, aus verschiedenen Töpfen. Den größten Teil der bis zu 1.000 Euro Förderung pro Person übernehmen die Job-Center – bis zu 800 Euro. Den Rest tragen das Land Berlin und der Europäische Sozialfonds (ESF). „Bessere Qualifikation und praxisnahe Beschäftigung bilden die Brücke in den ersten Arbeitsmarkt“, sagte gestern Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linkspartei). Weitere Möglichkeiten müssten gefunden werden, um sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse für Langzeitarbeitslose zu finanzieren.

Franzke und Lee Who haben sich in einem kleinen Friedrichshainer Verein kennen gelernt. Lee Who bezieht, nachdem sein Friedrichshainer Rock-’n’-Roll-Klub Pleite ging, Arbeitslosengeld II. Diesmal läuft es besser, hofft Lee Who. Durch sein Engagement soll Franzkes Laden bald so viel Gewinn abwerfen, dass sein Arbeitsplatz auch finanzierbar bleibt, wenn die staatliche Förderung ausläuft. Lee Who: „Dafür werde ich alles geben.“