150 Seiten schlechter Stil

KOLUMBIEN Mit einem Büchlein voller Verharmlosungen will Präsident Álvaro Uribe junge Journalisten auf Linie bringen

Der „Manual de estilo“ ist ein Spiegelbild des präsidialen Sprachduktus, in dem etwa der seit 45 Jahren schwelende Bürgerkrieg zu einem Konflikt schrumpft

VON KNUT HENKEL

Kolumbiens Präsident Álvaro Uribe Vélez legt Wert darauf, sich als fleißiges und umtriebiges Staatsoberhaupt in Szene zu setzen. Dafür sorgt in aller Regel das Fernsehen. „Das berichtet in einem sehr offiziösen Stil und hat kaum mehr Platz für hintergründige Reportagen oder Dokumentationen“, kritisiert der international bekannte Fernsehreporter Hollmann Morris und benennt damit einen der Gründe, warum er vorrangig für ausländische Auftraggeber arbeitet. Dabei wird er von einer Reihe europäischer Botschaften unterstützt.

Im offiziellen Kolumbien hat sich Morris mit seinen kritischen Reportagen über die Hintergründe des seit über 45 Jahren schwelenden Bürgerkriegs wenig Freunde in der Regierung gemacht. Der 41-Jährige ist Persona non grata im Präsidentenpalast und gilt als rotes Tuch für den Staatschef. Der hat jahrelang seine schützende Hand über den Geheimdienstchef Jorge Noguera gehalten. Der persönliche Freund des Präsidenten hat, wie die Recherchen der Untersuchungsrichter in den letzten zehn Monaten ergeben haben, eng mit den Paramilitärs kollaboriert, seine Finger im Drogengeschäft gehabt und über Jahre systematisch Kritiker der Regierung ausspioniert.

Unter den 103 Dossiers, die von der Grupo de Inteligencia G3 des Geheimdiensts DAS angelegt wurden, findet sich auch eines zu Hollmann Morris. Der befindet sich in guter Gesellschaft, denn auch Gustavo Gallón, der Direktor der kolumbianischen Juristenkommission, sowie Menschenrechtsanwalt Alirio Uribe Muñoz und der Direktor der kommunistischen Wochenzeitung Voz, Carlos Lozano, wurden observiert. Aber auch vor ausländischen Korrespondenten wie dem Schweden Dick Emanuelsson machten die Schnüffler im Auftrag des Staates nicht halt. Gebilligt wurde das seit 2004 laufende Treiben von ganz oben, so hat es der Informatikchef des Geheimdienstes, Rafael García, Anfang September vor laufenden Kameras ausgesagt – ein weiterer Skandal im ohnehin skandalgeschüttelten Bogotá.

Pikant angesichts der Tatsache, dass sich Staatsoberhaupt Álvaro Uribe 2010 um eine dritte Amtszeit bewerben will. Das „Handbuch zur Wiederwahl“ hat das Pressesekretariat des Präsidentenpalastes bereits herausgegeben, so spotten kritische Journalisten wie Victor Solano. Der ehemalige Mitarbeiter von Kolumbiens einziger überregional erscheinenden Tageszeitung El Tiempo ist Universitätsdozent, und genau dort kursiert auch die Stilfibel des guten Journalismus.

Der „Manual de estilo“, ein rund 150 Seiten starkes Büchlein, ist im Pressebüro des Präsidentenpalastes entstanden und findet sich seit einigen Wochen in den Bibliotheken der Fakultäten für Publizistik und kann auch im Internet heruntergeladen werden. Das Bändchen ist ein Spiegelbild des präsidialen Sprachduktus. Geht es nach Präsident Uribe, werden nationale Schlüsselwörter wie Vaterland, Nation, aber auch Regierung fortan großgeschrieben. Missliebige Organisationen wie die Guerillaorganisationen Farc und ELN werden hingegen auf Maß gebracht und kleingeschrieben. In den präsidialen Presseerklärungen ist das längst der Fall, und der journalistische Nachwuchs soll nun möglichst schnell lernen, wie es richtig geht. So schrumpft der 45 Jahre alte Bürgerkrieg zu einem Konflikt, vier Millionen Binnenflüchtlinge sind im offiziellen Sprachkanon Binnenmigranten und die Guerilla ist längst zu einer kriminellen Bande verkommen.

Für María Jimena Duzán, Kolumnistin der größten Wochenzeitung Semana, ist die Stilfibel Teil einer Strategie, Geschichte neu zu schaffen – eine Geschichte von Uribes Gnaden.