wortwechsel
: Kein Corpsgeist im Bauhaus Dessau

Das Bauhaus Dessau hat eine unrühmliche Tradition, was den Umgang mit Druck von rechts betrifft. Was gegen Antisemitismus hilft. Mutlosigkeit bei RWE

Die Punkband Feine Sahne Fischfilet, für den Verfassungsschutz sehr interessant. Im Bach dürfen sie spielen, im Bauhaus Dessau nicht Foto: owieole

Loyalität zur Institution

„Bauhaus-Chefin Claudia Perren ­zwischen den Stühlen“, taz vom 22. 10. 18

Claudia Perren machte mit der Ausstellung „Prinzip COOP“ nicht ihren Arbeitsstil zum ersten Jahresthema, sondern ließ ein Projekt fertigstellen, das Anfang 2013 unter ihrem Vorgänger begonnen worden war. Sie selbst war hieran gar nicht beteiligt. Auch dass ihr Vorgänger keinen guten Zugang zu der Belegschaft hatte und dies sich nun verbessert hätte, ist aus dem Haus nicht zu hören.

Am Bauhaus Dessau gibt es keinen Corpsgeist wie in Magdeburger Politikkreisen, wo Herkunft und Wohnort mehr zählen als persönliche Haltung. Auch hat sich Perrens Vorgänger in den Machtverhältnissen nicht getäuscht, sondern für seine Loyalität zur Institution und zu grundlegenden Werten in Kauf genommen, aus dem Amt zu fliegen. Für Ronald Berg ist es eben „überspannter Wagemut“, wenn man sich als Stiftungsdirektor traut, in Sitzungen des Stiftungsrats und im vertraulichen Gespräch mit der Staatskanzlei der Darstellung des Ministers zu widersprechen. Philipp Oswalt,Direktor der Stiftung Bauhaus bis 2014

„Verjudete Brutstätte“

„Kulturpolitisches Desaster“, taz vom 20./21. 10. 18

Die Absage des Bauhauses Dessau an Feine Sahne Fischfilet widerspricht nicht der Tradition des Bauhauses, sondern bewegt sich in ihren Fußstapfen. Schon Anfang 1931 ließ Mies van der Rohe ein Bild des sozialkritischen Malers Werner Scholz zum Thema Abtreibung aus einer Ausstellung am Bauhaus entfernen, wogegen die „Versammlung der Studierenden“ protestierte. Mies, der damalige Rektor, berief sich darauf, dass das Bauhaus in seiner Existenz gefährdet sei: Die Nazis im Dessauer Gemeinderat, damals schon stark, hassten die moderne Schule und wollten „die verjudete Brutstätte des Bolschewismus“ auflösen.

Der Druck von außen verschärfte die innere Zerrissenheit und Mies nahm sich vor, Ordnung zu schaffen. Er verkündete eine neue Satzung, gegen die es wiederum Proteste gab. In einem Disziplinarverfahren gegen Vertreter der Studierenden wurde der Vorwurf erhoben, dass sie eine Versammlung, in der es um die Verteilung von Geldern und um Stipendien ging, in der Kantine abhielten, was nach der neuen Satzung streng verboten war. In dem Disziplinarverfahren wurde gleich die schärfste von fünf möglichen Strafen verhängt: der Ausschluss vom Studium.

Das alles half aber nichts: Im Herbst 1932, beschloss der Dessauer Gemeinderat, das Bauhaus zu schließen. Mies van der Rohe versuchte, die Schule in Berlin weiterzuführen. Aber sein Bemühen, die Nazis für die Ideen des Bauhauses zu gewinnen, scheiterte. Auch seine Klage darüber, dass die Schließung „fast nur nationalgesinnte Menschen traf“, fand kein ­Gehör. Jutta Schwerin, Berlin

Ein neuer Blick

„Eine Chance nutzen“, „In einem Drittland?“, „Dritte Meinung“, taz vom 11., 13./14. und 15. 10. 18

In ihrem Leserbrief schrieb Manuela Kunkel, dass „deutsche Juden und deutsche Muslime“ „als Deutsche in Deutschland und nicht in einem ,Drittland‘ leben“, wie Werner Schiffauer in seinem Artikel vom 11. Oktober behauptet hatte. Sie hat recht, genau wie Sigmount Königsberg in seiner „Dritten Meinung“.

Ich möchte eine andere Perspektive in die Debatte einbringen: Worauf stützte sich der Holocaust? Man darf ihn auch in diesem Zusammenhang nie vergessen. Er berief sich nicht auf eine Nahostpolitik, sondern folgte auf eine über tausendjährige gemeinsame deutsch-jüdische Geschichte. Er benutzte Argumente aus Hass und Ressentiment, aus Neid und Geschichtsverfälschung, die sich auf die Vergangenheit bezogen. Davon zehrt der verdeckte Antisemitismus bis heute.

Was sind die Merkmale der gemeinsamen deutsch-jüdischen Geschichte? Aus heutiger Sicht gehören dazu: ein steter geistiger Austausch und der Handel in all seinen Facetten. Das Konkurrenzdenken zwischen den Konfessionen. Ein alltägliches Miteinander und beträchtliche Unterschiede in der Erziehung: Jüdische Knaben lernten ab dem dritten Lebensjahr Lesen und Schreiben. Bei den Christen gab es eine allgemeine Schulpflicht erst etwa ab dem 19. Jahrhundert! Und: Pogrome, denen in diesen tausend Jahren die meisten jüdischen Gemeinden alle paar Jahrzehnte ausgesetzt worden waren – durch christliche Gewalttäter.

Wer etwas gegen den deutschen Antisemitismus unternehmen will, muss dafür sorgen, dass eine gleichberechtigte deutsch-jüdische Geschichte im allgemeinen Geschichtsunterricht vorkommt und zu einem selbstverständlichen Bestandteil deutschen Geschichtsverständnisses in Schule und Universität wird. Daraus wird sich nicht nur ein neuer Blick auf die islamische Religion in Deutschland ergeben, sondern auch auf viele andere Verhältnisse und Zustände in diesem Land.

Barbara Höhfeld, Frankfurt am Main

Birkenau, idyllischer Ort

„Kein Name wie alle anderen“, taz vom 20./21. 10. 18

Es sind schöne Beispiele für die Probleme, die mit dem Tragen „infizierter“ Namen wie Adolf verbunden sind. Aber es gibt vielleicht schlimmere Fälle, nämlich Ortsnamen, also althergebrachte Namen, die eine Kollektivität betreffen, nicht ein Individuum. Bei Weinheim an der Bergstraße beispielsweise gibt es wenige Kilometer entfernt im Odenwald, idyllisch gelegen, ein nettes Dorf namens Birkenau. Was macht man als Kommune – und was machen deren Bewohner – mit diesem Namen, den auch das größte Vernichtungslager der Nazis bezeichnet, in dem über eine Million Menschen ermordet wurde? Sollte sie sich umbenennen, oder hätte sie es tun sollen, nachdem die fatale Namensidentität erkennbar war? Man kann befürchten, dass viele der dortigen Bewohner von dem anderen Birkenau nichts wissen oder es ihnen nicht bewusst ist. Jedenfalls könnte die Kommune bei einem Mahnmal für die Opfer des Naziregimes auf den anderen Ort, der zufällig denselben Namen trägt, verweisen.Manfred Briegel, Bonn

„A Boy Named Sue“

„Kein Name wie alle anderen“, taz vom 20./21. 10. 18

Hätte ich einen Sohn, dann hieße er ganz bestimmt nicht Adolf. Aber die Geschichten erinnern mich doch ein wenig an Shel Silversteins von Johnny Cash bekannt gemachten Song „A Boy Named Sue“, über den Jungen, der ein Leben lang gegen seinen Namen und die damit verbundenen Vorurteile ankämpfen muss, und so lernt, sich durchzusetzen. Auch für die vier Vorgestellten ist ihr Vorname eine Herausforderung, die sie zur Distanzierung von ihrem bekanntesten Namensvetter drängt: Adolf engagiert sich bei den Grünen. Dolf hätte bei größerer Popularität seines Vornamens den Verdacht, „dass er aus den falschen Gründen populärer wird“. Ado macht es stärker zu sagen: „Hallo, hier bin ich, und ich bin, wie ich bin.“ Addi schließlich hat „das Abarbeiten an dem Namen zum besseren Menschen gemacht“. Und ich nehme an, wenn er mal einen Sohn hat, nennt er ihn „Bill oder George, alles außer Adolf“. Volker Scheunert, Hamburg