Erster Anschlag nach Gaza-Rückzug

Bei einem Attentat in Beerschewa werden 50 Menschen zum Teil schwer verletzt. Scharfe Kritik Israels an Palästinensischer Autonomiebehörde. Hamas-Terrorist droht in einer Video-Botschaft mit Gewalt „bis zur Befreiung ganz Palästinas“

AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL

Ohne die Aufmerksamkeit des Busfahrers wäre es zweifellos schlimmer ausgegangen. Bei dem ersten Attentat kaum eine Woche nachdem israelische Sicherheitskräfte 25 jüdische Siedlungen geräumt hatten, wurden gestern in der Negew-Stadt Beerschewa über 50 Menschen verletzt, darunter zwei Wachleute lebensgefährlich. Der aus der Umgebung der Stadt Hebron stammende Attentäter zündete den Sprengstoff gegen 8.30 Uhr, als sich ihm auf ein Signal des Busfahrers hin die beiden Wachleute näherten.

Die israelische Regierung reagierte mit scharfer Kritik an der palästinensischen Führung, die „nichts unternimmt“, so Regierungssprecher Avi Pasner auf telefonische Anfrage. „Die Terrorgruppen haben die gesamte Zeit vor, beim und nach dem Abzug versucht, uns anzugreifen.“ Pasner kündigte an, dass es keinen Fortschritt im Friedensprozess und bezüglich der „Roadmap“ (internationaler Friedensplan) geben werde, solange die Palästinensische Autonomiebehörde keine Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrors ergreife. Dazu gehöre „die Entwaffnung der Gruppen, die Zerschlagung ihrer Infrastruktur und ihre Neutralisierung“.

Daran, dass die Gewalt ein Ende haben würde, wenn Israel Siedlungen evakuiert, glaubt in Israel indes kaum jemand. „Wir haben uns gedacht, dass nach dem Abzug eine neue Welle von Attentaten zu erwarten ist“, kommentierte Dani Schenhav, Sicherheitsoffizier im Verkehrsministerium. Nur „dass es so schnell losgeht“, damit habe er nicht gerechnet.

Der palästinensische Chefunterhändler bei früheren Friedensgesprächen, Saib Erekat, verurteilte das Attentat und rief dazu auf, „die bisherige Ruhe aufrechtzuerhalten“. Was Israel und die Palästinenser „heute brauchen, ist mehr Frieden, nicht mehr Gewalt“. Erst am Wochenende hatte Palästinenserpräsident Mahmud Abbas erklärt, die zunächst bis Ende des Jahres geplante Waffenruhe sei „unbegrenzt“. Nach den Parlamentswahlen Ende Januar 2006 solle die Autonomiebehörde die einzige „bewaffnete Autorität“ sein. Jedoch wollte Abbas nicht versprechen, dass „militärische Operationen und Angriffe“ auf die Palästinenser unbeantwortet blieben. Abbas bezog sich damit auf den Tod von fünf Dschihad-Aktivisten, die im Verlauf einer Razzia in einem Flüchtlingslager vergangene Woche von israelischen Soldaten erschossen worden waren.

Der seit über zehn Jahren von Israel meistgesuchte Terrorist der Hamas, Mohammad Deif, kommentierte den israelischen Gazaabzug unterdessen per Video-Aufzeichnung als einen Sieg seiner Bewegung. „Heute verlasst ihr die Hölle, aber wir versprechen euch, dass morgen ganz Palästina zur Hölle für euch werden wird.“ Die Aufnahmen zeigen ihn mit einem tiefen Schatten über dem Gesicht. Deif war vor drei Jahren nur knapp einem gezielten Mordanschlag durch die israelische Armee entkommen. Dabei hatte er ein Auge verloren.