FRAUEN IN STILETTOS BEIM PORNFILMFESTIVAL, GEORGE CLOONEY OHNE FACEBOOK
: In Gesellschaft schämen

VON JENNI ZYLKA

Wodka oder Budweiser? Villabajo oder Villariba? Oasis oder Blur? „Voluptuous Biker Babes“ oder „Bettie Page – Dark Angel“? Blöde Frage. Blur natürlich. Und das Kaff, in dem die Töpfe schneller sauber sind. Gott sei Dank bin ich entscheidungsfreudig. Musste man auch sein an diesem Wochenende voller Höhepunkte. „Voluptuos Biker Babes“, der beim Pornfilmfestival im Moviemento lief, war dann zwar doch fast nur genau das, nämlich raumgreifende, bunthaarige Frauen in gläsernen Stilettos und großmaschigen Netzstrumpfhosen, die sich mitten in der Wüste auf einer Pick-up-Ladefläche mit einem zopftragenden Stenz paaren, während irgendwo ein Motorrad steht, stundenlang das gleiche schlimme Hardrockstück bollert und irritierend laute Windgeräusche das Fehlen eines Ploppschutzes vermuten lassen.

Almost porn as usual eben – bis auf die aus Drogen schluckenden außerirdischen Transen bestehende Discoformation zwischendrin, die etwas massiver an den Seh- und Vögelgewohnheiten rüttelte. Bisweilen möchte man sich aber auch nur mal in Gesellschaft schämen und die nie ausbleibende Peinlichkeit beim kollektiven Sexerlebnis durch höfliches Klatschen bei jedem Cumshot überspielen. Und, schließlich, man sollte sich nichts vormachen: Mehr Orgie wird es für die meisten Menschen ohnehin nie geben.

Ein trotz mangelnder voluminöser Frauen weitaus aufregenderer Festivalbeitrag war die Doku „Stalags“ – die unglaubliche Geschichte weit verbreiteter israelischer Groschenheftchen aus den 60ern, in denen amerikanische Soldaten in deutschen Stammlagern erst als Opfer von sadistischen SS-Frauen sexuell missbraucht werden, bis sie am Ende den Spieß umdrehen. Regisseur Ari Libsker sorgte mit seinem mit vielen Interviews angereicherten Dokumentarfilm bereits seit 2007 für Diskussionen und passte insofern hervorragend zum Festival, das sich dem Thema Porno von Seiten näherte, die man teilweise, trotz hohen Alters und einer Schwäche für Schweinkram, einfach noch nie bemerkt hatte. Als alte Reckin muss man sich eh sputen, sonst haben einen die juvenilen digital natives mit ihrem unablässigen Internetsexkonsum bald abgehängt!

Nach den dicken Damen ging es, weil wir beim Thema bleiben wollten, noch ins Ex-Molly Luft, das heutzutage Van Doren heißt. Sympathischerweise befand man das schon als Grund genug zu feiern, Findus hat schließlich auch dreimal im Jahr Geburtstag, weil Petterson es lustig findet. Wir tranken Wodka, und um unsere Gehirnzellen auf Draht zu halten, lernten wir nebenbei das Originalzitat des im Alter immer sympathischer werdenden George Clooney auswendig. Ich kann es immer noch: „Ich würde mich lieber live im Fernsehen einer Rektaluntersuchung unterziehen, die von einem Typen mit kalten Händen durchgeführt wird, als mir bei Facebook eine eigene Seite einzurichten!“ Clooney und ich, wir sind beide schlaue Füchse, die nicht jeden dummen neuen dernier cri mitmachen, sondern lieber auf schlüpfrige Festivals gehen (er Cannes, ich Berlin) und uns dort technisch weiterbilden.

Der Abend ging mit einer Partie „Schlapp hat n Hut verloren“ zu Ende, denn der war leider wirklich weg, was furchtbar schade ist wegen des Klimawandels und des somit erhöhten Hutbedarfs. Andererseits erinnerte ich in meinem Katerkopf tatsächlich noch an ein weiteres Zitat, und zwar aus Jürgen Teipels „Verschwende deine Jugend“: „Die Hüte haben den Punk kaputt gemacht!“ Nur wer das gesagt hat, ist mir entfallen.