Politiker-Check im Netz

Direktkandidaten stellen sich im Internet dem Wahlvolk

Im Grunde eine basisdemokratische Idee: Auf der Seite kandidatenwatch.de kann jeder Bürger seinen Direktkandidaten für den Bundestag durchchecken. CDUler Marcel Philip, der für den Wahlkreis Aachen ins Rennen geht, soll sich dazu äußern, wie er sich bei einer Abstimmung über die Legalisierung von Cannabis verhalten würde. Im Kreis Heinsberg fragen Sportflieger ihre potenziellen Abgeordneten, wie sie zur ihrer Meinung nach völlig überzogenen Zuverlässigkeitsüberprüfung für Piloten stehen und ob sie das Flugverbot über dem Berliner Regierungsviertel gutheißen.

Sowohl die Fragen wie die Antworten sind für jeden User einsehbar. Installiert wurde die Seite vom Verein „Mehr Demokratie“. Für das Vorgängerprojekt, das seit Dezember 2004 in Hamburg läuft und in einem halben Jahr 400.000 Mal besucht wurde, erhielt der Verein den Grimme Online Award. Wozu dieses Mehr an Bürgernähe aber auch missbraucht werden kann, zeigt die Befragung des Grünen-Kandidaten Ali Ertan Toprak, der im Wahlkreis Recklinghausen I antritt. Bürger Martin Seelert wollte von dem Recklinghäuser Ratsherrn wissen, wie er dazu stehe, dass „Ausländer“ in Deutschland die Pflegekosten für ihre Verwandten im Ausland von der Steuer absetzen könnten. „Da Sie als Ausländer sich entschlossen haben, in Deutschland Politiker zu werden und dadurch bedingt die Interessen des deutschen Volkes vertreten wollen, passt die Frage sehr gut zu Ihnen.“

Toprak – der im Übrigen nicht über die Landesliste abgesichert ist, also keine Chance auf ein Mandat in Berlin hat – antwortete: „Es wundert mich schon, dass Sie als ein exzellenter Kenner der deutschen Steuergesetze anscheinend in unserer Verfassung nicht so bewandert sind.“ Anders könne er sich nicht erklären, wie Seelert auf die Idee komme, ihn als „Ausländer“ zu bezeichnen. Es dürfe doch bekannt sein, dass ein „Ausländer“ nicht für den Bundestag kandidieren darf. Der Deutsche türkischer Herkunft bedankt sich für den Hinweis: Er werde die „ausländischen Mitbürger“ in seinem Wahlkreis auf die Möglichkeit hinweisen, dass sie als „Steuerzahler in Deutschland“ solche Kosten absetzen können. Bürger Seelert ist übrigens Ortsvorsitzender der NPD in Recklinghausen. NATALIE WIESMANN