BERLIN - VON KENNERN FÜR KENNER Jenseits von Mitte-Style und West-Berliner Society

Natalie Tenbergs Gastro-Kritik: Das Café im Teehaus des Englischen Gartens in Tiergarten ist ein bodenständiges Ausflugslokal der alten Schule

Natalie Tenberg ist ab sofort neben Jan Feddersen zweite taz-Gastrokritikerin.

Im nördlichen Teil des Tiergartens in Berlin liegt der Englische Garten, ein Platz, an dem Blumen in Beeten blühen und Bänke zum Rasten einladen. Der Tiergarten scheint weit entfernt von den Zeiten, in denen die Love Parade hier vorbeirumste und die Raver die Botanik zerstörten.

Lange vor der Techno-Welle, in den 50er-Jahren nämlich, regte ein britischer Offizier namens General Bourne an, einen Garten nach englischem Vorbild zu schaffen und so an die gute Zusammenarbeit zwischen Briten und Berlinern während der Blockade zu erinnern. Ein völkerverbindendes Element ist dieser Garten, der dem polyglotten Gemurmel nach zu urteilen auch heute noch seinen Dienst tut.

Amerikaner, Letten, Spanier und Polen treffen auf einheimische „Kaffee und Kuchen“-Mentalität. Die Mehrheit der anwesenden Berliner ist allerdings viel zu klein, um irgendeine Sprache zu sprechen. Sie tobt ihren zahlenmäßig unterlegenen Eltern rudimentär tönend davon. Kulisse des Ganzen ist ein weißes, reetgedecktes Haus, auf dessen Rückseite eine kleine Pflastersteinterrasse liegt. Hier stehen Tische und Stühle; bei gutem Wetter findet hier der Cafébetrieb statt.

Die Speisekarte des Cafés im Teehaus ist einfach: Tee, Kaffee, Eis, Wein, Bier, Kuchen und simple Picknickgerichte. Ein ungewöhnlicher Posten auf der Eiskarte ist ein „Cola-Fanta-Float“, ein Spezi mit Vanilleeis. Trotz der kruden Zutaten schmeckt das Getränk überraschend gut. Ein Lokal, das ein wenig prestigeträchtiges, aber leckeres Getränk auf der Karte führt, muss wunderbar unprätentiös sein! Der sympathische Eindruck wird durch die freundliche Bedienung verstärkt.

Die Wiener Würste aber werden mit einem Kartoffelsalat angeboten, der diesen Namen nicht verdient. Mayonnaisesalat wäre die treffendere Bezeichnung. Kulinarisch ambitioniert ist das Lokal also nicht, aber ästhetisch ambitioniert; der Mayonnaisesalat wird mit frischem Gemüse garniert. Ungefähr zwei Gurkenscheiben pro Teller und ein Streifen Paprika noch dazu. Es fehlt nur ein Blatt krause Petersilie. Dann wäre das Gericht ein „Retro-Essen à la 70er“, also wieder schick, so schliddert es haarscharf am Zeitgeist vorbei.

Doch genau darin liegt der Charme des Cafés: Mitte mit dem Lifestyle-Hype ist genauso weit entfernt wie die dünkelhafte West-Berliner High Society. Hier kann sich jeder wohl fühlen. Das erste Haus am Ort ist das Café nicht. Will es aber scheinbar auch nicht sein. Eher ein Ausflugslokal alter Schule, in dem man nach einem Spaziergang durch den Tiergarten gut und einfach rasten kann.

CAFÉ IM ENGLISCHEN GARTEN im Teehaus im Tiergarten, Altonaer Straße 2–2a, 10557 Berlin, S-Bahn Bellevue, Mo– Sa ab 12 Uhr, So ab 10 Uhr, wetterabhängig, Bier ab 2,20 €, Essen ab 3,90 €