Polizeipräsident verteidigt Razzia

Weiterhin bleibt unklar, warum bei dem Polizeieinsatz in der Diskothek „Jeton“ gegen BFC-Dynamo-Fans so viele verletzt wurden. Sonderermittlungsgruppe eingerichtet, Grüne bekräftigen Einsatzkritik

VON PLUTONIA PLARRE

Blutende Köpfe en masse – der Polizeieinsatz gegen Anhänger des BFC Dynamo in der Nacht zum 21. August in der Diskothek „Jeton“ hat viele Fragen aufgeworfen. Erst recht, als Polizeipräsident Dieter Glietsch drei Tage nach dem Einsatz von der anfänglichen Darstellung seiner Behörde abrückte, in der von „massivstem Widerstand“ der im „Jeton“ Festgenommenen die Rede gewesen war. Das sei ein Missverständnis innerhalb der Behörde gewesen, so Glietsch. Eine Antwort auf die Frage, wieso es bei dem Einsatz zu so vielen Verletzungen kam, ist der Polizeipräsident bislang indes schuldig geblieben. Auch gestern im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses, wo der „Jeton“-Einsatz auf der Tagesordnung stand.

Vorbereitung und Durchführung des Einsatzes seien „nicht zu beanstanden“, stellte sich Glietsch hinter seine Leute. In gedrechselten Wortschleifen schob er die Einschränkung hinterher: „Ob im Einzelfall das Übermaßverbot verletzt wurde, ist zu klären.“ Soweit es „nicht zu vermeiden war“, dass Unbeteiligte in Mitleidenschaft gezogen worden seien, „habe ich kein Problem, mich zu entschuldigen“. Um die Vorwürfe zu klären, habe er eine aus acht Kripobeamten bestehende Sonderermittlungsgruppe eingerichtet, die zusammen mit der Staatsanwaltschaft „mit Hochdruck“ ermittle.

Bei dem Polizeieinsatz in der Nacht zum Sonntag, dem 21. August, sind 158 Menschen festgenommen worden. 39 Personen wurden verletzt, von diesen haben laut Glietsch 34 Strafanzeige wegen Körperverletzung im Amt erstattet. Außerdem erstatteten 42 von ihnen Anzeige wegen Freiheitsberaubung, Nötigung und Sachbeschädigung.

Der Einsatz im „Jeton“ sei zwingend geboten gewesen, sagte Glietsch. Erkenntnissen des Landeskriminalamts zufolge hätten Hooligans das Treffen in der dritten Etage des „Jeton“ „gezielt“ dazu nutzen wollen, um bei dem am folgenden Tag stattfindenden Derby zwischen 1. FC Union und BFC Dynamo „gewalttätige Ausschreitungen abzustimmen“. Ein Abwarten bis zum Beginn des Spiels wäre aufgrund der konkreten Gefahrenprognose nicht zu vertreten gewesen. Bei einem anderen Spiel Anfang August hätten 150 dem BFC zuzurechnende Fans eine Einsatzhundertschaft massiv angegriffen und sich dabei ganz gezielt körperlich unterlegene Beamte herausgesucht. Damals seien 13 Polizisten verletzt worden.

Die Durchsuchung im „Jeton“ erfolgte aufgrund eines richterlichen Durchsuchungsbeschlusses vom 18. August. An dem Einsatz unter Leitung des Chefs der Polizeidirektion 6, Michael Knape, waren 100 Angehörige der Spezialeinsatzkommandos (SEK) aus Berlin, Brandenburg und Niedersachsen beteiligt. Glietsch zufolge hatten die Beamten um 1.30 Uhr „schlagartig“ die entsprechenden Räume gestürmt und zur Ablenkung einen „Irritationskörper“ gezündet. Wegen des zu erwartenden Widerstands seien die Anwesenden „unter Anwendung unmittelbaren Zwangs zu Boden gebracht und an den Händen gefesselt“ worden. Von den Festgenommenen habe es sich bei 66 von ihnen um Anhänger der gewaltbereiten Sportszene gehandelt.

Innensenator Ehrhart Körting (SPD) verteidigte den Einsatz als richtige Maßnahme zur richtigen Zeit. Fehlleistungen einzelner Beamten seien nie auszuschließen. Aber auch für diese gelte die Unschuldsvermutung. Der Einzige, der gestern noch massive Kritik an dem Einsatz äußerte, war der Fraktionschef der Grünen, Volker Ratzmann. Der Einsatz sei offenbar nach der Devise erfolgt: „Wo gehobelt wird, fallen Späne“. Diese Einstellung, so Ratzmann, habe er bei der Berliner Polizei eigentlich für überwunden gehalten.