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Archiv-Artikel

DIE RÄTEDEMOKRATIE VON SCHRÖDER UND MERKEL BIRGT AUCH VORTEILE Von Pierer – ein transparenter Lobbyist

Es wirkt wie ein weiterer Coup Angela Merkels: Der ehemalige Siemens-Chef Heinrich von Pierer soll ihr Wirtschaftsberater werden, falls sie die Wahl gewinnt. Der Titel steht schon fest; Pierer würde einen zehnköpfigen „Rat für Innovation und Wachstum“ leiten. Wie trist klang da die zeitgleiche SPD-Mitteilung, auch der Autor Johano Strasser unterstütze Bundeskanzler Schröder. Pierer gegen Strasser – in der Promi-Schlacht sieht es nicht gut aus für die Sozialdemokraten.

Auf den ersten Blick. Tatsächlich ist die Personalie von Pierer eher erstaunlich denn beeindruckend. Eigentlich hätte sich der Exmanager für einen höheren Posten geeignet: als Wirtschaftsminister zum Beispiel. Schließlich ist von Pierer langjähriges CSU-Mitglied und hat für die Partei von 1972 bis 1990 im Stadtrat von Erlangen gesessen. Angela Merkel soll denn auch versucht haben, von Pierer für ihr Kabinett zu rekrutieren. Doch der Exmanager hat sich offenbar für die risikolose Bescheidenheit entschieden: Den Job Innovationsrat kennt er schon – auch für Kanzler Schröder hat er über den Fortschritt in Deutschland nachgedacht. Ohne erkennbares Ergebnis. Über dieses unverbindliche Beratschlagen kann man sich mokieren – doch für von Pierer dürfte es charmant sein, dass mit Resultaten im neuen Innovationsrat nicht zu rechnen ist. Der Fall Hartz hat gezeigt, wie rufschädigend es für Manager sein kann, sich allzu sehr in die Politik einzumischen.

Schon wird hämisch daran erinnert, dass sich Merkel über Schröders Expertenrunden lustig gemacht hat. Und nun gründet sie selbst Gremien. Der Spott ist berechtigt, trotzdem sollten ihr die Bürger dankbar sein. Denn obwohl die neuen Beraterkreise inhaltlich folgenlos bleiben – politisch sind sie es nicht. Sie schaffen Transparenz in einer sehr intransparenten Angelegenheit: beim Lobbyismus. Es ist selbstverständlich, dass Manager verbindliche Eigeninteressen verfolgen, wenn sie ihre knappe Zeit in unverbindlichen Politzirkeln vertrödeln. Fragt sich nur, was sich die Einzelnen davon versprechen. Doch weil ihr enger Kontakt zur Politelite in den Gremien ausnahmsweise nicht geheim ist, kann man ihnen diese Frage wenigstens stellen. ULRIKE HERRMANN