Kongos Kriegsökonomie überwinden

Eine parlamentarische Untersuchungskommission im Kongo hat über illegale Geschäfte der Kriegsparteien Bericht erstattet. Noch sind die Untersuchungen nicht abgeschlossen, vor allem in Rebellengebieten. Doch der Kommission droht das Aus

VON DOMINIC JOHNSON

Am Eingang zu den Büros stehen Polizisten, um die Ecke liegt ein großes Militärcamp. In den Räumen stapeln sich Schätze bis an die Decke – Verträge, Rechnungen, Berichte. Hier, in einem unscheinbaren Flachbau an einer ruhigen, grünen Straße in Kongos Hauptstadt Kinshasa, wird die Geschichte der dubiosen Geschäfte der Demokratischen Republik Kongo während der mörderischen Kriege 1996–2003 aufgearbeitet: In der parlamentarischen Untersuchungskommission zur Überprüfung aller Verträge, die während dieser Zeit im Namen des kongolesischen Staates geschlossen wurden.

Das Thema ist explosiv. Als sich die Kabila-Regierung und diverse Rebellengruppen im Kongo bekämpften und über drei Millionen Menschen an den Kriegsfolgen starben, finanzierten sich alle Kriegsparteien durch Zugriff auf Mineralien. Anteile an Bergbaufirmen, Schürfkonzessionen, Exportrechte – alles wurde auf der Basis privater Freundschaften vergeben, um politische Macht abzusichern. Von „kriminellen Elitenetzwerken“ sprach damals die UNO. Heute regieren die dafür Verantwortlichen den Kongo gemeinsam, statt sich zu bekämpfen. Um internationale Hilfe zu erhalten, müssen sie mehr Transparenz walten lassen als bisher.

Die parlamentarische Untersuchungskommission unter Vorsitz des Opppositionsabgeordneten Christophe Lutundula wurde im April 2004 gegründet – gegen den Widerstand der Anhänger von Präsident Joseph Kabila. Im Juli 2005 legte sie ihren ersten Bericht vor.

„Unter dem Vorwand des Krieges haben sich alle selbst bedient und den Reichtum des Landes verscherbelt, um sich die Taschen zu füllen“, sagt Ignace Mupira, Vizevorsitzender der Kommission. Der Bericht behandelt vor allem die Geschäfte im Süden und Westen des Kongo, der während des Krieges von Kabila beherrscht wurde und wo die wichtigsten Mineralienvorkommen des Landes liegen.

Allein für die Staatsfirma Gécamines, der die Kupfer- und Kobaltminen von Katanga gehören, mussten die Parlamentarier 162 Verträge überprüfen. Eine Hauptforderung der Kommission: Die kongolesisch-simbabwische Diamantenfirma Sengamines, die 2000 vom damaligen Präsidenten Laurent-Désiré Kabila und hohen simbabwischen Generälen im Austausch für simbabwische Militärhilfe gegründet wurde, muss schließen.

Drei Viertel ihrer Arbeit hat die Kommission nach eigener Einschätzung erledigt – was bleibt, ist der schwierigste Teil: Der Abschluss der Untersuchungen im Osten des Landes, wo während des Krieges vor allem die von Ruanda unterstützte Rebellenbewegung RCD (Kongolesische Sammlung für Demokratie) herrschte. Dafür ist Vizechef Mupira zuständig, zivilgesellschaftlicher Aktivist aus dem ostkongolesischen Bukavu.

Nächstes Reiseziel der Kommission ist Goma, die einstige RCD-Hauptstadt an Kongos Grenze zu Ruanda. Dort warten auf die Parlamentarier interessante Fragen. 40,566 Millionen Dollar unbezahlte Rechnungen aus Kriegszeiten hinterließ die RCD beim Friedensschluss 2003, erklärt Mupira – schon das herauszufinden, war gar nicht so einfach. Über die Hälfte davon – 21,5 Millionen – sind Verbindlichkeiten gegenüber der Transportfirma Congo-Fret. Ansonsten geht es unter anderem um Hotel- und Telefonrechnungen, „Vorschüsse“ aus Bergwerken in Form von Mineralien und „geliehenes“ Geld aus Filialen der Zentralbank. Seit die RCD-Rebellen im Sommer 2003 Teil von Kongos Allparteienregierung wurden, wollen sie diese Schulden auf den Staat abwälzen – aus Mupiras Sicht ist das inakzeptabel.

Bei der RCD in Goma gibt es immerhin Archive, in denen man all das überprüfen kann. Aber bei kleineren Gruppen im Nordosten des Kongo herrschte „das Gesetz des Dschungels“, klagt Mupira. Er verweist unter anderem auf den heutigen Minister für Regionale Kooperation, Ex-Warlord Mbusa Nyamwisi, der zu Kriegszeiten Kongos zweitwichtigsten Zollposten an der Grenze zu Uganda kontrollierte. „Da sagt der Chef: Heute wird kein Zoll gezahlt. Oder Flugzeuge werden per Telefon requiriert. Es ist eine Katastrophe.“

Wer das alles aufdecken will, legt sich also mit amtierenden Regierungsmitgliedern an. Kurz vor den geplanten freien Wahlen im Frühjahr 2006 soll aber in Kongos instabilem Friedensprozess kein zusätzlicher Staub aufgewirbelt werden. Der komplette erste Untersuchungsbericht ist daher unter Verschluss.

Die Zeit für Kongos Parlament, den Bericht zu beraten und eventuell zumindest in Auszügen freizugeben, wird knapp. Erst im Oktober gibt es wieder eine reguläre Sitzung. Doch Ende Oktober läuft die Weltbank-Finanzierung der Kommission aus, erklärt Kommissionschef Lutundula. Wenn bis dann nichts geschieht, müsste er die Arbeit einstellen und die Büros räumen, und alles wäre umsonst.

Darüber dürften manche nicht unglücklich sein. „In der Regierung sitzen immer noch Leute, die zu Mafiakreisen gehören“, sagt Mupira. „Man muss ihnen die Kontrolle über die Institutionen entziehen, zum Beispiel durch freie Wahlen. Der Krieg war ein Wirtschaftskrieg, und wenn man die Wirtschaftsfragen nicht klärt, wird er wieder losgehen, denn die Interessen, die ihm zugrunde lagen, sind noch da.“