Gegenwind von der Weser

ALTERSSICHERUNG Die Bremer Genossen wollen ihre Bundespartei dazu bringen, die gesetzliche Rente entscheidend zu stärken – auf Kosten von Riester&Co. Die Rente mit 67 wollen sie aussetzen

„Wir haben einen handlungsleitenden Hinweis gegeben“

Carsten Sieling, SPD-MdB

Bei wesentlichen Fragen zur Rentensicherung liegen die Bremer Sozialdemokraten im Dissens mit dem SPD-Bundesvorstand. Das betrifft sowohl das künftige Rentenniveau, das die Bremer nicht unter 50 Prozent senken wollen, als auch das klare Primat der gesetzlichen Rentenkasse. Die Rente mit 67 will sie aussetzen, bis 50 Prozent der 60- bis 64-Jährigen sozialversicherungspflichtig in Vollzeit beschäftigt sind. Derzeit liegt diese Quote bei rund 20 Prozent.

Nun hat die Bremer SPD ein Papier verfasst: „Wir haben einen handlungsleitenden Hinweis gegeben“, sagt der Bundestags-Abgeordnete Carsten Sieling selbstbewusst, der rentenpolitisch bislang eine Minderheitenposition im Bundesvorstand vertritt. Vergleicht man dessen Beschluss mit dem der Landespartei, fällt vor allem eine unterschiedliche Bewertung der kapitalgedeckten Altersvorsorge auf, also der Privat- und der Betriebsrenten. Während die Berliner Betriebsrenten für zwar reformbedürftig, aber unverzichtbar erklären, sehen das die Bremer kritisch: Nur jeder dritte Arbeitnehmer habe eine, bei Frauen liege die Quote bei unter zehn Prozent. Und während der Parteivorstand die Riesterrente „verbessern“ will, gehört sie nach Auffassung der Weser-Genossen abgeschafft.

„Hier brauchen wir einen radikalen Schnitt“, sagt der Bremer Finanzmarkt-Experte der SPD, Arno Gottschalk. Sie erreiche große Teile der Förderberechtigten nicht und sei oft mit zu hohen Kosten belastet. Im Gegensatz zu den 2000 bei Einführung versprochenen vier Prozent Rendite läge diese nur bei etwas über einem Prozent. Ein Bestandsschutz für vorhandene Verträge sei erforderlich, weiteren Förderungen sei aber unbedingt eine Stärkung der gesetzlichen Rentenkassen vorzuziehen – die das dringend nötig habe.

Der Leistungsschwund der gesetzlichen Rentenkassen ist einer aktuellen OECD-Statistik zu entnehmen: Bei Indikatoren wie der Nettoersatzrate steht Deutschland mittlerweile schlecht da: Der Durchschnittswert aller „entwickelten“ Industriestaaten liegt hier bei 81, der Deutschlands bei 55 Prozent. Im Segment der Niedrigverdiener steht Deutschland hier sogar auf dem vorletzten Platz.

Bremen sei „besonders betroffen“, sagt Parteichef Andreas Bovenschulte – als Erklärung, „warum wir uns als kleinstes Bundesland in dieser Frage so dicke machen“. Legt man die Zahlen des DGB-Rentenkonzepts zu Grunde, steht Bremen in der Tat im Vergleich aller Bundesländer auf dem letzten Platz: Der durchschnittliche Auszahlungsbetrag aller 2011 hier Berenteten liegt bei 682 Euro. Bei Absenkung des Rentenniveaus auf 43 Prozent bis 2030 – wie das Rot-Grün 2002 beschlossen hatte – läge das noch um fast 100 Euro tiefer.

Immerhin haben die Bremer bereits erreicht, dass der Parteivorstand die Frage der Betriebsrenten und Privatrenten offiziell als „noch offen“ deklariert. „Nach der Übernahme der Bundesregierung im Herbst 2013“, heißt es bei ihm so prophetisch wie siegessicher, werde man über die Zukunft der bisherigen Förderung der betrieblichen Altersversorgung entscheiden.

Die Bremer arbeiten bereits vor: Zur Diskussion ihrer Vorschläge veranstalten sie am Samstag eine öffentliche Fachtagung (Anmeldung: info-bremen@spd.de). Im November, auf dem Parteikonvent der SPD, hoffen sie bereits ihre Positionen durchzusetzen. HENNING BLEYL