Noten zum Leben erwecken

Was haben ein Remix, eine Coverversion und eine klassische Einspielung auf Originalinstrumenten gemeinsam? Sie sind alle Interpretationen von Musikstücken, die sich mal mehr und mal weniger stark an ihrer Vorlage orientieren. Dass man ein Stück ganz unterschiedlich „lesen“ kann, ist einerseits eine Selbstverständlichkeit – man denke etwa an die zahllosen Versionen des Songs „Sunny“ von Bobby Hebb – andererseits gibt es in der Sache ein paar ungeklärte Fragen. Wie verhalten sich zum Beispiel Partitur und Interpretation einer Komposition zueinander? Wie viel von einem Werk steckt tatsächlich in den Noten, wo muss man als Interpret noch andere Ressourcen bemühen? Sind Interpreten sogar an der Komposition eines abgeschlossenen Werks beteiligt? Und was genau ist eigentlich Originaltreue? Das Festival „Faithful! Treue und Verrat der musikalischen Interpretation“ erkundet den Begriff der Interpretation aus verschiedenen Blickwinkeln, lässt Experten zu Wort kommen oder gibt Dilettanten bei einer Neue-Musik-Karaoke Gelegenheit, sich an eigenen Deutungen von Arnold Schönberg oder John Cage zu versuchen. Zum Auftakt kann man heute im Berghain die grafisch notierten Werke von Earle Brown hören, einer Podiumsdiskussion mit dem Poptheoretiker Diedrich Diederichsen und dem Dirigenten Lothar Zagrosek über die Bedeutung des Interpreten folgen – oder später zuhören und -sehen, wie das Wiener Vegetable Orchestra mit Kürbissen und Tomaten ein „Massacre du Printemps“ anrichtet. TCB

■ Faithful: bis 14. Oktober, verschiedene Orte. Heute, 18 Uhr, Berghain, Am Wriezener Bahnhof. Festivalpass 80/60 Euro, Einzeltickets 17/14 Euro. www.faithful-festival.de