KOMMENTAR: SVEN-MICHAEL VEIT ÜBER TRANSPARENZ
: Gläserner Stadtstaat

So hatte George Orwell sich das nicht vorgestellt. Die da unten kontrollieren die da oben, so ist es richtig, nicht Big Brother überwacht, er wird überwacht. Dafür bietet das neue Hamburger Transparenzgesetz sehr gute Möglichkeiten. Die aber wirken nur, wenn von ihnen fleißig Gebrauch gemacht wird.

Und da kommt die Nagelprobe sehr rasch. Die ersten beiden Ansinnen – Einblicke in Sachen Elbphilharmonie und Energieverträge – zeigen deutlich, wo die großen Konflikte liegen werden. Denn wenn die wirtschaftlichen Interessen von Unternehmen berührt sind, werden diese und ihre Anwälte alles daran setzen, die Mauer des Schweigens nicht einstürzen zu lassen.

Und das ist auch ein Stück weit legitim. Denn Sinn des Gesetzes ist es nicht, Betriebsgeheimnisse von Firmen zu lüften, sondern die städtischen Beziehungen zu ihnen offen zu legen. Das Amtsgeheimnis, mit dem jahrhundertelang Behörden Untertanen zu knebeln pflegten, wird zumindest deutlich aufgeweicht.

Deshalb ist zu erwarten, dass staatliches Handeln künftig bürgerfreundlicher und nachvollziehbarer wird, weil der Druck nachträglicher Erklärungen und Rechtfertigungen größer wird.

Mit dem Transparenzgesetz setzt Hamburg Maßstäbe für den gläsernen Staat. Alle können jetzt alles wissen. Das bedeutet zugleich Verantwortung für die Regierten. Auch das ist gut so.