piwik no script img

der rote fadenAufmärsche und Einmärsche – was würde Jesus tun?

Foto: privat

Durch die Woche mit Saskia Hödl

Wer ist eigentlich Horst Seehofers Pfarrer? Das ist doch so in der CSU – die gehen doch in die Kirche? Oder sind die etwa nur so christlich wie Sahra Wagenknechts neue Bewegung „Aufstehen“ links ist? Nein, die CSU sind Christen, steht ja deutlich drauf. Aber wann sind sie das eigentlich? Nur sonntags, wenn keine Politik gemacht wird, oder abends beim Tischgebet? Oder bei der Erstkommunion der Großnichte?

Sauerkrautmimik

Wie kann es sein, dass ein christlich-sozialer Innenminister es überhaupt schafft, eine Woche die Zähne nicht auseinanderzubekommen, wenn es um rechte, um nationalsozialistische De­mons­tran­ten geht? Wenn in Chemnitz die rechten Hände nach oben schnellen, als wäre es 1938, wenn sich Leute brüllend „Adolf-Hitler-Fans“ nennen, dafür Applaus bekommen und wenn dann auf der Straße nichtweiße Menschen angegriffen werden? Wie kann es sein, dass dieser Innenminister dann von der Migrationsfrage als „Mutter aller Probleme“ spricht und dass unter seiner stoischen Sauerkrautmimik kein noch so kleines christliches Feuer lodert? Nicht mal ein Funke?

Wie kann es sein, dass ein deutscher Innenminister nicht zuallererst über die absolute Unmöglichkeit spricht, den Hitlergruß auf deutschen Straßen zu zeigen – und sich stattdessen in die Reihen derer begibt, die jetzt mal den Duden rausholen und darüber debattieren, ob das jetzt genau genommen eigentlich eine Menschenjagd, eine Hetzjagd, Jagd auf Menschen, eine Hetze, eine Verfolgungsjagd oder vielleicht ja doch nur ein Hürdenlauf mit anschließender Körperverletzung war? Als würde das irgendeinen verdammten Unterschied machen für jene, die wahllos auf die Fresse bekommen haben, weil ein Mob von Nazis nicht mit ihrer Hautfarbe einverstanden war, nicht mit ihrer physischen Existenz auf deutschen Straßen klarkommt.

Duden

Ich bin keine Spezialistin für die Christen, das gebe ich zu. Aus der Kirche bin ich ausgetreten, weil ich mich in einem Verein mit Sexualstraftätern, für deren Beschäftigung ich auch noch Steuern zahlen soll, nicht wohlgefühlt habe. Aber es gibt ja auch gute Pfarrer, die sich um das Seelenheil der Menschen kümmern, um die Nächstenliebe, die Barmherzigkeit, um den Frieden. Also wieso wirft keiner von denen dem Seehofer mal ein paar Bibeln um die Ohren und fragt ihn: What would Jesus do?

Apropos Hitlergruß: Schauen wir mal einen Moment nach Österreich, wie das so läuft, wenn die Rechten die Macht übernehmen. Zum einen denkt derzeit mindestens ein österreichischer Politiker daran, in Nordafrika einzumarschieren. Klingt lustig für ein Land, das gerade mal über ein Dutzend maroder Eurofighter verfügt. Aber Reinhard Bösch, der nicht nur FPÖ-Wehrsprecher ist und selbstredend Mitglied der rechtsextrem eingestuften Burschenschaft Teutonia, sondern auch Vorsitzender des Verteidigungsausschusses im österreichischen Nationalrat, hat in einem Zeitungsinterview tatsächlich erläutert, dass er in Betracht ziehe, mit militärischen Kräften einen Raum in Nordafrika in Besitz zu nehmen, um Flüchtlinge zu internieren.

Eurofighter

Bundeskanzler Kurz redete sich nun raus, Bösch sei nicht Teil seiner Regierung. Und Vizekanzler Strache erklärt die ihm unliebsame Diskussion wie gewohnt für beendet. Seit Dienstag steht übrigens die Ex-Grünen-Politikerin Sigi Maurer in Wien vor Gericht, weil sie die sexuelle Belästigung durch einen Wirt auf Facebook öffentlich gemacht hat. Maurer hat Ende Mai in einer Facebook-Privatnachricht Aufforderungen zum Oralsex und zum Analverkehr erhalten. Weil Maurer die Nachricht samt Namen des Wirts publik machte, drohen ihr nun 60.000 Euro Strafe wegen übler Nachrede, Kreditschädigung und Kränkung des Mannes, dessen Geschäft sich übrigens im Haus der Burschenschaft Bruna Sudetia befindet. Er sagt, er habe die Nachrichten nicht verfasst, und hat Anklage gegen sie erhoben. Sein Anwalt ist Adrian Hollaender, der sich bereits in den 90er Jahren für die FPÖ engagierte. Die Verhandlung wurde vertagt.

Kniefall

Auch Efgani Dönmez, der Ex-Grüne, der bis vor ein paar Tagen für die ÖVP im Nationalrat saß und inzwischen fraktionslos ist, hat sich diese Woche auf Twitter sexistisch über die Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli (SPD) geäußert. Dönmez hatte auf die Frage, wie Chebli ihre Position erreicht habe, geantwortet: „Schau dir mal ihre Knie an, vielleicht findest du da eine Antwort.“ Im Nachhinein beteuert er natürlich, er hätte nicht versucht, ihr berufliche Blowjobs zu unterstellen – nein, niemals. Er meinte den Kniefall vor „Migrantenverbänden“. Selbstverständlich.

Und wie es für schlechte Politiker in Österreich üblich ist, besteht er darauf sein Mandat zu behalten. Er lasse sich seine Arbeit nicht kaputt machen. Nicht mal von seinem eigenen Sexismus. Seine Unschuld versucht Dönmez mit Bibelzitaten zu untermauern. Well, what would Jesus do?

Nächste Woche Klaus Raab

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen