taz-Thema der Woche

SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück

■ betr.: „Seekrank unter Deck“, taz vom 2. 10. 12

Nun sollte niemand mehr versuchen, Steinbrück als Finanzgenie zu bezeichnen. Er und sein Getreuer Asmussen (heute von der Merkel-Regierung als SPD-Mitglied in das Direktorium der EZB gehievt), haben letztendlich mit der Deregulierung im Finanzsektor dafür Sorge getragen, dass die neuen Finanzmarktprodukte in Deutschland und Europa von den Zockerbanken an die Kunden gebracht werden konnten. Steinbrück will an der Agenda 2010 festhalten, die Rente wird mit ihm auf 43 Prozent abgesenkt. Ein Politik im Sinne der Bürgerinnen und Bürger sieht anders aus.

NORBERT WERNER, taz.de

■ betr.: „Seekrank unter Deck“, taz vom 2. 10. 12

Unter welchen Gesichtspunkten kommt Peer Steinbrück für die Leute überhaupt als Kanzlerkandidat infrage?

Weil jeder, der ein Sparguthaben oder etwas mehr Geldvermögen hat, der Ansicht ist, die Banken müssten gerettet werden, denn sonst sei sein Erspartes bedroht; und stabilitätsorientierte Geldpolitik sei auch gut, denn bei deflationären Tendenzen bleibt ja die Kaufkraft dieses Ersparten erhalten.

Das alles nicht offen ausgesprochen, aber gedacht. Und auch, wenn es sonst ökonomisch drunter und drüber geht und die Lasten andere tragen?

MEGGIE, taz.de

■ betr.: „Geht die Strategie der SPD auf?“, taz vom 2. 10. 12

Man sollte die Strategie der SPD, eine Koalition mit der Linken auszuschließen, als das benennen, was sie ist: der ziemlich offensichtliche Versuch der Wählererpressung. Inhaltliche Argumente bleiben, wenn überhaupt, oberflächlich. Die Idee ist, die Linke so unter 5 Prozent zu drücken, weil Stimmen für sie nicht zum Wechsel führen. Das ist durchdachte Machtpolitik, zeigt keinen Respekt vor dem Souverän und wenig für die Demokratie – und ist insgesamt so widerlich, dass man schon deshalb anfängt über ein Kreuzchen bei der Linken nachzudenken, auch wenn deren Personal und Programm einen eher nicht darauf gebracht hätten. Wirken mag es insgesamt dennoch, es sagt ja keiner, dass Erpressung nicht funktioniert. Aber sollte man das wollen? SILKE KARCHER, Berlin

■ betr.: „Wappnen für ein Leben mit Steinbrück“, taz vom 2. 10. 12

Ist in der SPD dieser mit großem Wortschatz, spitzer und blitzschneller Rhetorik ausgestattete Mensch tatsächlich alternativlos? Einiges dürfte womöglich für die überwiegende Mehrheit der Menschen in Deutschland und Europa besser werden als bei Merkel. Aber zufriedenstellend dürfte es nicht sein, wie es nach seinem Handeln in der Vergangenheit und seinen bisherigen Aussagen zu vermuten ist. Sollte er tatsächlich die Fähigkeit haben Merkel abzulösen und unzugänglich werden, bleibt für diejenigen in der SPD, die ihn mitgewählt haben, und die Grünen nur noch das konstruktive Misstrauensvotum des Grundgesetzes. Das sollten sie aber für die Mehrheit der Bevölkerung – wie bei Schröder – nicht ungenutzt lassen. Sonst sind sie weg vom Fenster. FRANZ MAYER, Steindorf

■ betr.: „Steinbrück wird scharf kritisiert“, taz vom 3. 10. 12

„Wes’ Brot ich ess, des’ Lied ich sing.“ Auf Stones-Peer trifft dies zu 100 Prozent zu. Kein anderer noch aktiver Politiker steht so hinter der Agendapolitik der rot-grünen Regierung. Seine Kumpels sind die Funktionäre der deutschen Wirtschaft, verstärkt durch die Herren aus der neoliberalen Professorenriege. Würde er Kanzler, profitiert nur das eine Prozent der Reichen in unserer Gesellschaft! Traurig mitanzusehen, wo die SPD heute gelandet ist. Aber Peer gehört dank seiner Einkünfte auch zu dieser Parallelgesellschaft. Hoffentlich lassen sich die Wähler 2013 nicht einlullen von diesem Pseudosozi. Die Alternative: Politrente mit 66 ab 2013 und gepflegtes Schachspiel mit Helmut Schmidt und weiter schöne Vorträge halten gegen Mörderkohle. Das wär’s doch, Peer! JÜRGEN TRANTOW, taz.de

■ betr.: „Steinbrück wird scharf kritisiert“, taz vom 3. 10. 12

Wenn man eine Politik vertritt, die eine Luxusrettung für Banken und Banker vorsieht, aber sozialen Abstieg für Normalarbeitnehmer (Hartz), dann muss sich Steinbrück nicht wundern, wenn sich die Leute wie Wadenbeißer an seine Vorträge, Verträge und Nebenaktivitäten heften.

Wer heute ein Normalarbeitsverhältnis verliert und eine neue Arbeitsstelle sucht, wird fast immer im Preis bis an den Rand gedrückt. Dazu kommen Befristung und Leistungsdruck. Bei geringem Wachstum steigern einige Unternehmen so ihre Profitabilität, und diese Unternehmer und Manager sind genau die Menschen, vor denen Peer Steinbrück gerne spricht, ihre Ideen und ihre Kultur gefallen ihm. Aber das zieht auch großen Hass an, denn die Mehrheit der Wähler sitzt bei diesen Veranstaltungen nicht im Zuschauerraum, sondern gehört zu den (möglichen) Opfern. Sein Satz von circa 7.000 Euro ist zum Beispiel 19-mal der Hartz-IV-Satz, von dem viele Menschen einen Monat leben müssen. Einige arbeiten sogar und leben dennoch auf so einem Niveau. Das stinkt ziemlich, könnte fast das Ende von Steinbrück werden. DETLEV, taz.de

■ betr.: „Geht die Strategie der SPD auf?“, taz vom 1. 10. 12

Eine potenzielle Regierung unter Steinbrück mit den Grünen wäre doch genau das Gleiche wie die aktuelle Regierung. Was die SPD scheinbar auch nicht kapieren will, ist, dass keiner eine zweite CDU haben will. Jeder Wähler, der eine sozial gerechte Politik favorisiert, wird von dem Haufen doch vergrault.

Was die Grünen angeht: Diese Partei hatte vor 30 Jahren mal Ideale, die sie inzwischen alle verkauft hat. Die Partei ist damit genauso überflüssig geworden wie die FDP, die in ihren Grundzügen auch einige gute Ideen hatte. Im Moment sehe ich das meiste Potenzial für eine gerechtere Politik bei den Linken und den Piraten, aber scheinbar sollen diese beide Parteien kleingehalten werden. Wenn man sich die Berichterstattung der letzten Jahre so ansieht, kann man nur zu diesem Schluss kommen. Es gab genügend Platz in allen Medien, um über eine fast tote FDP zu berichten, für wichtige Themen war aber wohl kein Platz. DER EINPARTEIENSTAAT, taz.de

■ betr.: „Beinfreiheit für Peer“, taz vom 1. 10. 12

Nun haben sie wieder Oberwasser, die Experten für Sozialabbau in der SPD. Vom Vater des Sozialabbaus, Helmut Schmidt – unter ihm begann der neue Weg der SPD – empfohlen, will der SPD-Vorstand die Wahl im nächsten Jahr mit einem Relikt aus der Schröder-Ära gewinnen.

Die Linken in der SPD haben es trotz aller Kritik bis heute nicht geschafft, Alternativen aufzubauen. So wird es im nächsten Jahr wieder nur zum zweiten Sieger reichen. Herr Steinbrück wird zwar – wie seinerzeit Schröder – den Linken große Versprechen machen, aber dann dem Druck der Wirtschaft nachgeben und kein Rückgrat zeigen. Nicht umsonst verlangt er „mehr Beinfreiheit“, um sich um Parteitagsbeschlüsse nicht scheren zu müssen. Getreu seinen Vorbildern Schröder und Schmidt braucht er die Partei zur Unterstützung seiner Wahl, nicht zur Willensbildung.

Die Partei hat zum Beispiel schon vor vielen Jahren in mehreren Parteitagsbeschlüssen aufgezeigt, wie Sozialsysteme heute finanziert werden müssen: durch lohnbezogene Arbeitnehmerbeiträge und umsatzbezogene Arbeitgeberbeiträge. So können sich die Unternehmen nicht aus der Verantwortung für den Sozialstaat durch Personalabbau herauswinden. Aber bindende Parteitagsbeschlüsse stehen der Beinfreiheit im Wege.

Liebe SPD, besinnt euch auf eure soziale Vergangenheit, wenn ihr wieder den Kanzler stellen wollt.

FRIEDRICH-KARL BECKMANN, Pinneberg

■ betr.: „Seekrank unter Deck“, taz vom 2. 10. 12

wir konstatieren also nicht eine unfähigkeit, sondern eine nichtbereitwilligkeit zur veränderung und eine steuerverschenkung in bisher unvorstellbarer größe. der mann ist nicht der falsche für die spd führungsgremien. nein, es sind noch zu viele leute bei der spd die meinen innerhalb der spd wäre noch ein wirklich sozial und ökonomisch kompetentes urgestein zu finden. und bei der spd ginge noch alles mit rechten dingen zu. innerhalb der partei werden bestimmt dicke bretter verteilt. für ihre unterlassungskriminalität wird man poliker nicht zur rechenschaft ziehen, auch nicht für ihre bankenfinanzierungen. man betreibt eher die auflösung staatlicher souveränitäten mangels finanzmasse. im grunde ist es eine dreiste unverschämtheit der spd solch eine figur als kanzlerkandidat auftreten zu lassen. EGON SCHÜLER, taz.de

■ betr.: „Koalition nicht ausgeschlossen“, taz vom 2. 10. 12

Das stimmt doch gar nicht, dass Peer Steinbrück eine Marionette der Linken ist, wie FDP-Politiker Rösler behauptet und verbreiten will. Peer Steinbrück hat die volle Einflussnahme und Unterstützung des „Seeheimer Kreises“. Der „Seeheimer Kreis“ ist bekanntlich rechts und besonders mittig orientiert. Die arme und verarmte Hälfte sowie bildungsferne Hälfte der Bevölkerung ist für den „Seeheimer Kreis“ überhaupt nicht wichtig und wird weiterhin vernachlässigt!

Die FDP ist schon einmal heimtückisch den Sozialdemokraten in den Rücken gefallen und hat mit dieser Heimtücke Helmut Schmidt als Bundeskanzler gestürzt. Ich erinnere an das „Lambsdorff-Papier“ von 1982, das Helmut Schmidt nicht akzeptieren konnte. Die vier Bundesminister mussten wegen dieses Vertrauensbruchs entlassen werden! Damit wurde der Neoliberalismus voll gesellschaftsfähig und hat sogar die Grünen wesentlich verändert. Das ist doch allen politisch Interessierten bekannt! Soll sich diese jüngste, tragische Geschichte wiederholen? GERDA F., taz.de

■ betr.: „Geht die Strategie der SPD auf?“, taz vom 1. 10. 12

Die kategorische Absage der SPD an Linke und Piraten bedeutet ja unter dem Strich nichts anderes als eine (aktiv angestrebte) große Koalition unter der Führung von Angela Merkel. Warum aber sollte ein links empfindender Mensch eine Partei wählen, die erkennbar keinen Systemwechsel will, sondern nur ein bisschen mit am Futtertrog sitzen (gilt übrigens auch für die Grünen). Die SPD hat sich erkennbar aufgegeben – es wäre das für die Gesellschaft Gewinnbringendste, sie würde sich endlich auflösen. AUFRECHTGEHN, taz.de

■ betr.: „Geht die Strategie der SPD auf?“, taz vom 1. 10. 12

Die Linke versenken, dann mal tau. Wir Sozialdemokraten in Wort und Tat sind nicht wie viele andere (Stimmvieh-)Wähler. Unsere Stimme bekommt nur die Partei, die sich konsequent für Demokratie (kontra Banken-/Bonzendiktatur), sozialen Rechtsstaat, Frieden und Ökologie einsetzt. Wer kann das besser als Willy sein guter Enkel, Oskar? Wer eine Zusammenarbeit mit dem letzten Verteidiger des Grundgesetzes ausschließt, macht sich als sozialer Demokrat unglaubwürdig!

ULLI MÜLLER, taz.de

Kanzlerin Angela Merkel soll nach dem Willen der SPD abgelöst werden. Und deshalb wird der ehemalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück 2013 als Kanzlerkandidat für die Partei ins Rennen geschickt. Dieser setzt trotz schlechter Umfragewerte ausschließlich auf eine rot-grüne Koalition. Außerdem schloss der 65-Jährige eine erneute Ministerrolle unter Merkel aus, ebenso eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei und den Piraten.

Die zentralen SPD-Wahlkampfthemen sollen die Bändigung der Finanzmärkte und ein neues soziales Gleichgewicht sein.

Auf dem NRW-Parteitag fordert Steinbrück „an der ein oder anderen Stelle auch etwas Beinfreiheit“, während Parteilinke „mehr Engagement in der Rentenfrage“ anvisieren und sich für „ein klares Profil als linke Volkspartei“ aussprechen. Das dürfte mit einem Kanzlerkandidaten Steinbrück schwer werden.