Castros Angst vor einer Niederlage Chávez’

VENEZUELA Ein Machtwechsel bei der Wahl am Sonntag würde Kubas Wirtschaft hart treffen

VON KNUT HENKEL

BERLIN taz | Hugo Chávez heißt die Lebensversicherung für die kubanische Revolution. Mehr als 90.000 Barrel Erdöl liefert Venezuela täglich an den „Bruderstaat“. Zudem arbeiten tausende kubanische Ärzte zwischen Maracaíbo und El Dorado. Wie lange noch, fragen sich derzeit Kubas Wahlbeobachter.

„Ein Wechsel im Präsidentenpalast hätte für Kubas Wirtschaft kaum kalkulierbare Folgen“, ist sich der kubanische Ökonom und Dissident Oscar Espinosa Chepe sicher. Schon vor Wochen warnte der 71-Jährige vor den verheerenden Folgen, die eine Wahlniederlage von Hugo Chávez haben könnte. „Die zweiwöchige Reise von Raúl Castro nach Vietnam, China und Russland im Juli stand in diesem Kontext. Es galt neue Kredite und Hilfen auszuhandeln.“ Durchaus erfolgreich, aber trotz neuer Kreditzusagen aus China und neuer Investitionen aus Russland ist die kubanische Ökonomie kaum in der Lage, auf die Hilfe vom „Bruderland“ Venezuela zu verzichten. Kubas Ökonomie ist nicht allein auf das Erdöl angewiesen, es sind auch etliche tausend direkte Jobs, die Venezuela an kubanische Experten vergeben hat.

Das Gros davon an kubanische Ärzte und Krankenschwestern. Die stellen zwei Drittel der knapp 45.000 Kubaner, die derzeit in Venezuela arbeiten, in Krankenhäusern, abgelegenen medizinischen Posten oder Altenheimen. Die nächstgrößere Gruppe stellen die Sportlehrer und Trainer mit 6.225 Fachkräften, während im Kulturbereich 1.905 und in der Landwirtschaft 735 kubanische Experten im Einsatz sind. Die werden mit venezolanischen Petrodollars bezahlt, und den Zufluss für die kubanische Staatskasse taxieren die Ökonomen am Studienzentrum der kubanischen Wirtschaft (CEEC) in Havanna auf rund 6 Milliarden US-Dollar. Die fließen auf unterschiedlichen Wegen nach Kuba, wobei die Öllieferungen noch am einfachsten zu überblicken sind.

Sollte Hugo Chávez jedoch am Sonntag von seinem Herausforderer Henrique Capriles aus dem Präsidentenpalast Miraflores verdrängt werden, dann drohen der kubanischen Regierung schwere Verluste. Denn Capriles will die laufenden Abkommen zwar nicht von heute auf morgen stornieren, aber sie neu bewerten und neu verhandeln. Laut seiner Kalkulation bezahlt Venezuela derzeit rund 4 Milliarden US-Dollar pro Jahr für die Dienste der kubanischen Ärzte. Angemessen seien jedoch nur 800 Millionen US-Dollar, sagte Capriles am Montag.