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Wie die Welt klingt

Am Freitag eröffnet das Splitter Orchester gemeinsam mit dem Hamburger-Dada-Elektronikmusiker Felix Kubin im Heimathafen den Monat der zeitgenössischen Musik. Das Festival bringt die verschiedenen Disziplinen der aktuellen Avantgarde zusammen

Von Andreas Hartmann

Die Idee hinter dem Monat der zeitgenössischen Musik, zu dem der September in Berlin nun bereits zum zweiten Mal erklärt wird, ist ein wenig vergleichbar mit der, die hinter den European Championchip stand, die eben erst zu Ende gegangen sind. Alle möglichen Europameisterschaften, von der Leichtathletik bis zum Radfahren, wurden bei dem Sportevent unter einem Dach vereint, um gemeinsam eine bessere öffentliche Präsenz zu bekommen.

Auch der Monat der zeitgenössischen Musik bringt nun verschiedene Disziplinen zusammen, vom Musiktheater bis hin zur Klanginstallation, und findet an unterschiedlichen Orten statt. Und anstatt all die Minifestivals rund um Neue Musik und Artverwandtes für sich antreten zu lassen in diesem mit Minifestivals vollgepackten September, laufen sie unter einem übergeordneten Claim.

Eigentlich wollten sich ja auch die Berliner S-Bahn-Betriebe in gewisser Weise an der Veranstaltung beteiligen. Sie hatten angekündigt, den Eingangsbereich zur S-Bahnstation Hermannstraße mit genau der Art von Musik zu bespielen, der sich nun beim Monat der zeitgenössischen Musik gewidmet wird.

Doch nicht, weil man plötzlich seine Liebe zu Avantgarde und ungewöhnlichen Klängen erkannt hätte, sondern um mit vermeintlich schräger Musik Obdachlose und Trinker zu vertreiben. Nicht zuletzt Dank der Proteste der Initiative Neue Musik Berlin, die auch als Schirmherrin des Monats der zeitgenössischen Musik fungiert, wurde dieser Unsinn glücklicherweise gestoppt.

Den Überblick zu behalten bei dem, was einem im Monat September alles an Musik aus dem weiten Feld der ak­tuel­len Avantgarde geboten wird, ist nicht ganz einfach. Es ist schlichtweg sehr viel und findet an zig unterschiedlichen und teilweise auch ungewöhnlichen Orten statt. Sogar der Kollwitzplatz, der Teufelsberg und das Tempelhofer Feld werden da etwa beim Dystopie Sound Art Festival vom 21. bis zum 30. September bespielt. Bei diesem Festival wird von diversen Soundforschern unter anderem untersucht, wie die Welt nach dem Aussterben der Menschheit klingen könnte. Oder was eventuell passiert, wenn sich ein mi­kro­foniertes Überwachungssystem verselbstständigt.

Man wird außerdem Musik von Steve Reich und John Cage in der Alten Feuerwache hören können. Und im Rahmen der Konzertreihe „Music for Hotel Bars“ wird gar an der Bar des Berliner Hotels Bristol musiziert und dazu eingeladen, sich zur Musik der Komponistin Anna Jandt ein paar Drinks zu genehmigen.

Freilich sind aber auch die etwas geläufigeren Spielstätten in diesen September der Avantgarde involviert. In der altehrwürdigen Philharmonie etwa wird im Rahmen des Musikfests dem Komponisten Bernd Alois Zimmermann zum hundertsten Geburtstag gratuliert, und es werden außerdem ein paar der eher selten zu hörenden Stücke von Karlheinz Stockhausen dargeboten. Und eine Party des Monats der zeitgenössischen Musik im Acud wird es auch geben. Unter anderem wird die niederländische DJ Marcelle hier eines ihrer DJ-Sets spielen, bei dem sie Tiergeräusche mit Dubstep und Afrobeat in ihrer ganz speziellen Manier und mit Hilfe von gleich drei Plattenspielern ineinander mixt.

Oder man verirrt sich beim Festival imaginäre Musik, das vom 5. bis zum 8. September im Uferstudio 14 stattfindet, im Reich der eigentümlichen Töne, wie man sie garantiert nirgendwo sonst zu hören bekommt. Musik für präparierte und selbstgebaute Instrumente wird hier geboten. Instrumentenerfinder werden also demonstrieren, dass sich auch aus Gerätschaften spektakuläre Klänge hervorzaubern lassen, die sich nicht im herkömmlichen Musikgeschäft erstehen lassen.

Großes Highlight und perfekte Einführung in diesen prallen Monat der zeitgenössischen Musik wird sicherlich das Eröffnungskonzert des Berliner Ensembles Splitter Orchester gemeinsam mit dem Hamburger Dada-Elektronikmusiker Felix Kubin im Heimathafen Neukölln sein. Das Orchester aus der sogenannten Szene der Berliner Echtzeitmusik, bei der es um eine möglichst große Spontaneität beim gemeinsamen Improvisieren geht, und der nicht so gewöhnliche Popmusiker kennen sich bereits. Zusammen haben sie schon eine formidable Platte veröffentlicht, auf der es wunderbar knirscht und schmatzt. Die Kombination von Orchester und Avantgarde-Popmusiker wirkt dabei denkbar ungewöhnlich, was natürlich den Reiz des Ganzen ausmacht. Auf der eine Seite das an Neuer Musik und Jazz-Improv geschulte Ensemble, auf der anderen ein Mann, der von sich selbst sagt, er könne nicht einmal Noten lesen, und der ein wenig so aussieht, als käme er von einem anderen Planeten. Danach wird das Splitter Orchester noch die Komposition „Nilreb Variations“ des Berliner Turntable-­Musikers und Komponisten Ignatz Schick uraufführen. Und Felix Kubin obendrein noch als DJ Platten auflegen, die sicherlich auch nicht jeder kennt.

Insgesamt steht einem so ein Monat bevor, in dem man als Liebhaber der etwas anderen Musik kaum einen Abend daheim bleiben möchte. Und in dem Festivals stattfinden, auf denen sich rein musikalisch bestimmt mehr entdecken lässt als beim Lollapalooza, das zufälligerweise ebenfalls im September stattfindet.

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