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der rote fadenWer braucht schon Lehrer? Geht ja nur um Kinder

Foto: taz

Durch die Woche mit Nina Apin

Den Start ins neue Schuljahr hatte ich mir ungefähr so vorgestellt: Voller Vorfreude springt die frischgebackene Viertklässlerin am Montagmorgen aus dem Bett, sortiert die neuen Schulutensilien in den Ranzen und radelt gekämmt und pünktlich los. Ihr kleiner Bruder darf sich als Schulanfänger noch fünf Tage im Bett umdrehen, bis es am Samstag auch für ihn losgeht.

Doch ach! Sportbeutel vergessen, Kunst fällt aus, und ob der Kleine auf dieselbe Schule gehen darf wie seine Schwester, weiß auch wenige Tage vor der Einschulung noch nicht mal das Schulamt. Die neuen AG-Angebote an der Wunschschule der Großen bestehen aus so prickelnden Dingen wie Badminton und Fußball um 7.30 Uhr. Morgens. „Schule bleibt halt Scheiße“, lautet das nüchterne Fazit der Viertklässlerin.

Schulklo

Dabei hat sie noch Glück: Ihre Schule ist noch nicht marode wie die meisten anderen in der Umgebung, die Klos funktionieren, für die Sanierung der Turnhalle waren genug Handwerker verfügbar, sodass der Sportunterricht nicht allzu lange ausfiel. Und ihr Klassenlehrer ist sogar voll ausgebildeter Gymnasiallehrer, so richtig mit Lehramtsprüfung und Referendariats­erfahrung – und kein LOVL.

„Lehrkraft ohne volle Lehrbefähigung“, so nennt man in Berlin die Diplomgermanistinnen, Theaterwissenschaftler, IT-Fachfrauen oder Bauzeichner, die nach einem Crashkurs von einer Woche (!) auf die SchülerInnen losgelassen werden. Didaktik ist nichts, Praxis alles – „Fack ju Göhte“ lässt grüßen. Mittlerweile machen solche Quereinsteiger ein Drittel aller neu eingestellten Lehrkräfte in der Hauptstadt aus.

Das Absurde daran ist, dass diese Aushilfslehrkräfte kein Recht auf Fort- oder Weiterbildung haben. Wie man mit Konflikten umgeht, Kinder motiviert, eine Klasse zusammenhält, Dinge eben, die man als FachfremdeR im Lehrberuf erst lernen muss, das sollen die Damen und Herren sich bitte schön selber aneignen. Kann ja nicht so schwer sein. Geht ja nur um Kinder.

LOVL

Wer so wenig Wert auf die Bildung des Nachwuchses legt, soll sich dann nicht beschweren, wenn die jahrelang Notbeschulten nach ihrem Abschluss zu schlecht qualifiziert und motiviert sind, um dem Fachkräftemangel in der Wirtschaft beizukommen. Wie zu Wochenanfang auch in der taz stand, ist Deutschland ja inzwischen ein Arbeitnehmerland: Handwerker verlangen vom Betrieb ein Dienstauto, Friseurinnen bekommen Rhetorikkurse, damit sie ja nicht den Föhn hinschmeißen. Tischler und Fliesenleger, so hörte ich von einem befreundeten Architekten, verlangten mittlerweile Mondpreise als „Schnelligkeitszuschlag“ – andernfalls warte man Ewigkeiten. Ich werde ihm empfehlen, seine eigenen Mitarbeiter künftig mit opulenten Abendessen und Frühyogakursen bei Laune zu halten – nicht dass sie ihm noch abwandern in den Lehrbetrieb, das geht ja zack, zack heutzutage, und dann steht er da mit all seinen Aufträgen.

Nur im Journalismus herrscht statt Fachkräftemangel eher Personalüberhang bei schrumpfenden Auflagen. Deswegen muss wohl sogar ein bekanntes Fernsehgesicht wie ZDF-Frau Dunja ­Hayali sehen, wo es bleibt, und Jahrestagungen des Verbands der Deutschen Automatenindustrie moderieren. Oder Veranstaltungen des Pharmakonzerns Novartis. Die freuen sich, ihren schlechten Leumund von einer öffentlich-rechtlichen Moralinstanz aufgewertet zu kriegen, und zahlen reichlich.

Frühyoga

Angeblich hat Hayali alle Honorare für karitative Zwecke gespendet, was ihre Motivation noch rätselhafter macht. Spielt da jemand Gerechtigkeit: den Glücksspielbanditen und Pharmariesen nehmen und wohltätigen NGOs geben? Oder baut ­Hayali nur vor für den Fall, dass es mit dem neuen Job beim ZDF-„Sportstudio“ doch nichts wird, weil die deutschen Sportfans im Jahr 2018 doch noch nicht für eine weibliche Expertin bereit sind?

Engagierte Journalistinnen arbeiten für die Fiesen, Fliesenleger muss man demnächst mit „Herr Dr.“ ansprechen, und der Herr Lehrer war vielleicht vor kurzer Zeit selber mal Fliesenleger – irgendwie ist die unübersichtliche Lage auf dem Arbeitsmarkt ja auch interessant. Am Mittwoch hat sich gezeigt, dass selbst unter dem schwarz-rot-goldenen Deutschlandhut eines vermeintlichen Pöbeldemonstranten ein waschechter Staatsdiener stecken kann. Der Mann, der sich am Rand einer Pegidistendemo in Dresden für den einzig wahren Polizisten hielt, ist – Trommelwirbel – Buchprüfer beim Landeskriminalamt. Vielleicht sollte er, um seiner wahren Berufung näher zu kommen, ein Quereinsteigertraining bei der sächsischen Polizei …

Glücksspielbanditen

Scherz beiseite. Ich muss jetzt los. Der Hort­erzieher meiner Tochter muss in Brandenburg den Waldbrand bekämpfen – er ist im Zweitberuf Feuerwehrmann.

Nächste WocheRobert Misik

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