meinungsstark
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Das Geschäftsführer-Evangelium

„Szenario 2022: Don’t panic!“, taz vom 14. 8. 16

Aus Geschäftsinteresse sollen wir Leser uns in naher Zukunft daran gewöhnen, Zeitunglesen als Smartphonenutzer zu betreiben, so wie die Berufsjugendlichen, denen das Ding an der Hand festgewachsen ist. Die munteren und optimistischen Durchsagen, denen zufolge die taz trotz allenthalben gepredigter Papierzeitungsflaute wuchs und gedieh, sind also vorbei. Stattdessen bereitet der Geschäftsführer immer wieder seine Leserschaft darauf vor, dass sie sich bald wie die Kids zu benehmen hätten, wenn sie weiter Zeitung lesen wollen.

Sogar Heribert Prantl macht in der Süddeutschen Zeitung seiner Sorge ob dieser Ankündigungen der taz Luft, und er hält, wie viele, die nicht ausschließlich gewinnorientiert denken, das Gedöns um das Verschwinden des Gedruckten für maßlos übertrieben. Aber bislang steht ihm niemand von den tazlern zur Seite. Als wäre die Meinung eines taz-Geschäftsführers, der die Abschaffung der gedruckten taz preist, das Evangelium.

Es wird der Anschein erweckt, als wäre Sorge über den Verlust des morgendlichen Rituals, eine gedruckte Zeitung in den Händen zu halten, nur sentimentaler Quatsch, verglichen mit den harten Facts der Realität. Aber zählt zu diesen Facts nicht auch die Überlegung, dass die Smartphonejugendlichen gar keine Zeitungsleser sind, sondern eher die Älteren? Und von denen wird sich die überwiegende Zahl wohl lieber für eine ordentliche Zeitung aus Papier entscheiden, behaupte ich ganz einfach. Wenn sich der Herr Geschäftsführer mal nur nicht in der Zielgruppe täuscht! Reiner Hanke, Freiburg