„Öko ist nur noch ein Feigenblatt“

Die deutschen Käufer wollen keine umweltfreundlichen Autos, sondern schöne, schnelle und billige. Und VW & Co bieten keine Ökowagen an, weil sie an den eigenen Ansprüchen scheitern, sagt der Konsumforscher Peter Brietsche

taz: Herr Brietsche, alle finden das 3-Liter-Auto gut, aber keiner kauft es. Die deutschen Konzerne stellen die Produktion sparsamer Pkw ein. Zu Recht?

Peter Brietsche: Ja, denn wenn die Produktion sich nicht rechnet, dann müssen Konzernchefs Stopp sagen. Die Käufer waren einfach nicht da. Die Fahrzeuge waren zu teuer.

Ist Öko denn gleich teurer?

Die umweltfreundlichen Modelle müssen entwickelt werden. Und der Aufwand für die Forschung mindert zumindest am Anfang die Gewinnmargen. Die Firmen wollen aber sofort Profit machen.

Franzosen und Japaner schaffen das ja auch. Warum die angeblich so innovative deutsche Autoindustrie nicht?

Ein sparsames Auto soll hierzulande trotzdem auch schnell sein und ein edles Lenkrad haben – da scheitern die deutschen Hersteller schlicht an ihrem Qualitätsanspruch. Der 3-Liter-Lupo war ja ein besseres Luxusauto. Und weder VW noch Opel oder Ford stellen Serienfahrzeuge her, mit denen man mit „wenig Sprit“ einfach nur von A nach B fahren kann.

Was ist der eigentliche Fehler der Autoindustrie?

Es fehlt ein sparsames Basisauto – ohne Komplettausstattung.

Öko ist also für die Unternehmen kein Wert an sich?

Nein, denn man sieht ihn nicht. Also bewirbt man ihn nur, um zu zeigen: Das können wir auch.

Sind die deutschen Autokonzerne denn so auf die Märkte der Zukunft vorbereitet?

Es gibt kein Weltauto, sie brauchen für China ein anderes Auto als für Italien. Auch die Japaner haben 30 Jahre gebraucht, um ihren Toyota oder Honda an die USA und Europa anzupassen. Die japanischen Hersteller beobachten eben sehr feinfühlig die Märkte. Das Interessante ist: Die deutschen Konzerne haben das auch alles in der Schublade.

Warum lassen die Kunden den Konzernen ihre Ökofaulheit durchgehen?

Sie haben keine Wahl. Der Kunde wird nun mal von einer sehr großen Firma bedient. Er kann noch so viel nach einem bestimmten Angebot rufen – wenn er allein ist, wird er es nicht bekommen.

Also könnten die Konzerne doch einen Ökomarkt kreieren. Machen sie es nicht, weil es ihr Image schädigt?

Es ist einfach schwer. Man muss den Wagen leicht machen, den Motor effizient. Alles, was in die Ökologie gesteckt wird, kostet. Ein sparsames Auto muss viel gefahren werden, damit sich dieser Aufpreis lohnt. Bei manchen Fahrzeugen rentiert sich das erst ab 25.000 Kilometern im Jahr. Doch im Schnitt fährt der deutsche Autofahrer gerade mal 15.000 Kilometer.

Warum zahlen die Kunden dann für Geländewagen oder Minivans, die zudem echte Spritfresser sind?

Weil sie nach landläufiger Meinung etwas hermachen. Ironischerweise verkaufen die großen Konzerne bei diesen Luxuswagen auch immer ein bisschen Öko mit – so quasi als Feigenblatt. Der Kunde kann sich einbilden, er tue auch noch etwas Gutes.

Das Wageninnere ist gestaltet wie ein Wohnzimmer, Autohäuser sehen aus wie Museen: Was suchen Autofahrer in einer Zeit, in der immer noch vom Postmaterialismus die Rede ist?

Einen Wert für den Nachbarn, dieses: „Schau, ich habe mehr PS, Platz für fünf Kinder, ein schickes Glasdach.

In den 80er-Jahren konnten Umweltbewegte am Autoimage immerhin kratzen. Warum klappt das heute nicht mehr?

Der Dunst aus dem Auspuff beschäftigt uns kaum noch, sondern dass da wieder ein Freund arbeitslos wird. Jeder hat seine eigenen Nöte.

Öko ist also kein Thema. Kann das auch eine Abwehrreaktion auf die rot-grüne Bundesregierung sein, die ja den Umweltschutz für sich reklamiert?

Den Zusammenhang sehe ich so nicht. Klar: Der Sprit wird teuer, der nächste Cent Ökosteuer kommt – natürlich schimpft jeder darauf. Aber eigentlich geht es den meisten doch weiter nur darum: Mehr PS haben, etwas schneller und mobiler sein.

Die Deutschen sortieren akribisch ihren Müll, meiden die Dose und bauen Wärmedämmung in ihre Dächer. Warum entziehen sie sich in Fragen der Mobilität ihrer gesellschaftlichen Verantwortung?

Weil das Fahrzeug ein Statussymbol ist. Das Motto lautet: Mein nächstes Auto soll noch besser werden, aber mach es bitte nicht noch teurer! Die Klimaanlage tut uns wohl, dafür zahlen wir. Den Rußfilter spüre ich nicht direkt. Also bleibt das Portemonnaie zu. Autofahrer sind da wie Raucher, die sagen, mir tut die Zigarette gut. Das Bein nehmen die Ärzte erst später ab.

INTERVIEW: HANNA GERSMANN