BENZINPREISE: WUT GEGEN DIE TANKSTELLEN, NICHT GEGEN DIE ÖLINDUSTRIE
: Schuld haben immer die andern

„Ich war es nicht. Es war Mabuse. Er benutzte mein Gehirn.“ Bei der Erforschung der Ursachen für die Existenz des Bösen in der Welt stieß man schon immer auf „den anderen“. Für die deutschen Autofahrer sind die Ölkonzerne für die höchsten Spritpreise aller Zeiten verantwortlich. Für die Ölkonzerne ist das Rotterdamer Kartell der Rohöl-Importeure schuld. Sie weisen mit dem Zeigefinger auf die „Preistreiber“ an der New Yorker Börse. Wall Street wiederum macht den Wirbelsturm für die jüngste Preiserhöhung verantwortlich. Der kann sich gegen solche Verdächtigungen nicht wehren.

Zuvor wurden als Auslöser die Unruhen im Nahen Osten oder der Terror im Irak gehandelt, wahlweise auch die Drohung der Mullahs im Iran, im laufenden Atomstreit mit dem Westen den Ölhahn zuzudrehen. Und dann sind da noch die Spekulanten und Hedgefonds. Sie kaufen ganze Kontingente von Ölkontrakten auf und verringern künstlich das Angebot auf dem Weltmarkt. Die Folge: 15 bis 20 Dollar gehen auf ihr Wirken; statt unter 50 Dollar liegt der Preis bei mehr als 60 Dollar. Und die Ölkonzerne, die jede Rohöl- in eine Benzinpreiserhöhung verwandeln, reichen die Rechnung den Kunden an der Zapfsäule weiter.

Die Autofahrer zahlen die ganze Zeche, meint auch der ADAC. Doch was macht der mächtigste Lobbyverband der Republik dagegen? Außer Jammern über den „unhaltbaren Zustand“ – nichts. Seitenhiebe gegen die Ökosteuer wirken wie das, was sie sind – ein Ablenkungsmanöver. Nur Bild kämpft mit einer „Benzinwutkampagne“. Doch die Autofahrer laden ihre auf diese Weise noch angestachelte Wut meist – und folgenlos – bei den Tankstellenpächtern ab. Deren Preise diktieren die Ölkonzerne, die von den Preisen in Rotterdam abhängig sind. Die wiederum richten sich nach den Preisen in New York, die von den Spekulanten immer wieder neu in die Höhe getrieben werden … und die sind natürlich nicht zu fassen.

Wo der Adressat für einen Protest nicht eindeutig auszumachen ist, gibt es keinen, jedenfalls keinen massenhaften. Man fährt wieder öfter Rad, kauft Aktien von Shell und tankt bei den Freien. Und ab 1,50 Euro für den Liter Super wird der Benz verkauft. Ehrlich. KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT