Niemand will mehr in die Röhre gucken

Jeder fünfte Deutsche kauft sich laut einer neuen Studie in den nächsten zwei Jahren einen Fernseher mit Flachbildschirm. Vor der Internationalen Funkausstellung geben sich die Händler entsprechend optimistisch. Die Geiz-ist-geil-Welle geht zu Ende

AUS BERLIN STEPHAN KOSCH

Schon einen neuen Fernseher für die Fußball-WM gekauft? Oder wenigstens danach geguckt? Wahrscheinlich wird es ein Gerät mit 16:9 Bildschirm. In ihm wird keine Röhre mehr stecken, sondern Plasma oder Flüssigkristalle werden das Bild erzeugen. Mit diesem Kaufverhalten rechnen auf jeden Fall die Hersteller und Händler der Unterhaltungselektronik, die ihre Produkte ab Freitag auf der Internationalen Funkausstellung (IFA) in Berlin präsentieren. Mehr als 20 Milliarden Euro Umsatz erwarten sie für dieses Jahr. Das sind mindestens zehn Prozent mehr als 2004. Dabei dürfte der private Konsum insgesamt nur um 0,2 Prozent wachsen.

Grund für den Optimismus der Branche sind die zunehmende Digitalisierung und die neuen Bildschirmtechnologien. Nach einer Studie des Meinungsforschungsinstituts Allensbach wollen 21 Prozent der Konsumenten in den kommenden zwei Jahren einen Fernseher mit flachem Display kaufen. Bereits in diesem Jahr wird der Umsatz mit LCD-Geräten den mit herkömmlichen Röhren übertreffen. Zu den erwarteten 3,5 Milliarden Euro Umsatz mit TV-Geräten werden Röhren-Fernseher nur noch knapp 1,4 Milliarden Euro beisteuern. Jeder zweite Fernseher, der im zweiten Halbjahr verkauft wird, dürfte mit den neuen Bildschirmen ausgestattet sein, prognostiziert Hans-Joachim Kamp, Aufsichtsrat in der Gesellschaft für Unterhaltungs- und Kommunikationselektronik (gfu).

Von dem wachsenden Markt werden Discounter wie Aldi und Lidl weniger profitieren als bisher, erwartet Kamp. Einer aktuellen Studie der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) zufolge, sank der Wert-Anteil von Unterhaltungselektronik beim Umsatz der Discounter 2004 auf 13 Prozent, nach 20 Prozent im Jahr davor. Dabei gab es in diesem Jahr mehr Werbeaktionen. Die Kunden achteten wieder stärker auf bewährte Marken und Qualität.

Die GfK geht davon aus, dass die „Geiz-ist-geil-Welle“ abebbt. Noch profitieren aber Media-Markt und andere Ketten von der schrumpfenden Bedeutung der Discounter im Elektronikmarkt. Sie halten etwa 35 Prozent des Marktes, Tendenz steigend. Ebenso wie bei den Fachhändlern, die sich in Einkaufsgemeinschaften wie Expert oder anderen Verbänden zusammengeschlossen haben. Ihr Marktanteil beträgt 40 Prozent. Der Rest wird in Waren- und Versandhäusern oder von nicht organisierten Händlern verkauft.

Ein weiterer Trend auf der IFA wird das hochauflösende Fernsehen (HDTV) sein. Zwar wird erst ab November Premiere als erster Sender regelmäßige Sendungen in dem neuen Format anbieten, von allen anderen Sendern gibt es bisher keine konkreten Starttermine. Doch auf der Messe wird jeder wichtige Hersteller entsprechende Geräte präsentieren. Rainer Hecker, gfu-Aufsichtsratsvorsitzender, geht davon aus, dass der neue Standard sich nur langsam durchsetzen wird. Denn neben HDTV-fähigen Fernsehern, die mit dem Logo „HD ready“ gekennzeichnet sind, braucht man für den Empfang auch ebensolche Satellitenempfänger. Der Trend sei aber „unumkehrbar“ und habe eine ähnliche Bedeutung wie die Einführung des Farbfernsehens.

Bereits jetzt gibt es aber Spielfilme in HDTV-Qualität, die durch ein Kompressionsverfahren aktuelle DVD-Technik nutzen können. Doch auch dazu braucht man einen besonderen DVD-Spieler. Und der dürfte bald schon wieder veraltet sein. Denn für das kommende Jahr werden Filme erwartet, die entweder die Blue-ray- oder HD-DVD-Technologie nutzen. Und natürlich muss man auch dafür besondere Geräte kaufen. Irgendwie muss der Markt ja weiter wachsen.