Die Passion des Waffenschiebers

NEBENTÄTIGKEIT Ein Verkehrspolizist steht in Kiel wegen Waffenhandels im großen Stil vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm auch Bestechlichkeit und illegalen Besitz von Betäubungsmitteln vor

Ganz glücklich war er wohl nicht mit seinem Beruf. Ein Verkehrspolizist aus Neumünster soll sich vier Jahre lang ein zweites Standbein aufgebaut haben – als Waffenhändler. Seit Dienstag wird sein Fall beim Landgericht Kiel verhandelt. Die Staatsanwälte werfen dem 51-Jährigen vor, von 2002 bis 2006 ohne Erlaubnis Gewehre, Pistolen und Zubehör wie Schalldämpfer verkauft zu haben, in 36 Fällen, mit einem Umsatz von rund 91.000 Euro. In der Anklage steht außerdem der unerlaubte Besitz eines Narkosemittels und Bestechlichkeit: Für 300 Euro soll sich der Polizist angeboten haben, den Besitzer einer Handynummer heraus zu finden. Dieser Deal endete erfolglos – das Waffengeschäft florierte.

Mit seinem Zweitberuf soll sich der Beamte rund 4.000 Euro im Jahr dazu verdient haben. Und Waffen lagen ihm mehr als Radarkontrollen. Sein Vorgesetzter beschreibt ihn im Zeugenstand als „unterdurchschnittlichen“ Polizisten, herausragend sei nur sein Interesse für das Schießen gewesen. Immer wieder habe er den Kollegen vom Autobahnrevier sein Leid geklagt, dass er seine Fähigkeiten nicht dienstlich nutzen kann. Einmal sei er mit einem Schreiben zu seinem Vorgesetzten gekommen, in dem ihm ein Schießtraining bei einem Bundeswehrkommando in Kanada bescheinigt wurde. Schon 2001 habe er einen Antrag gestellt, als Schießausbilder bei der Polizei eingesetzt zu werden.

Aus den Berufswünschen des Angeklagten wurde nichts, weil er als „Waffennarr“ gesehen wurde. Sein Schießtalent habe für eine Versetzung nicht ausgereicht, vermutet sein Vorgesetzter. Gefangen im falschen Job wurde der Messbeamte immer mehr zum Selbstständigen. Telefonierend – mit Hörer oder Headset – sei er während der Dienstzeit über die Flure gelaufen, eine Nebentätigkeit von sechs Stunden habe er offiziell angemeldet. Bei seinem Dienststellenleiter und seinen Kollegen wuchs ein „ungutes Gefühl“. Nicht nur, weil sich der Beamte schlechter konzentrierte: die interne Leistungsbeurteilung habe bei der Schulnote vier gelegen. Der Vorgesetzte sorgte sich auch um das „Ansehen“ der Polizei, sagt er. Bei Waffenkäufen habe der Angeklagte stets seine Funktion als Polizist betont.

Besonders heikel wurde es, als die Dienststelle eine Lieferung aus den USA mitbekam. Über seinen Arbeitsplatz habe er sich eine „Kriegswaffe“ bestellt, steht in der Anklage. „Sonst kommt man an diese Gewehre nicht ran“, soll er zum Leiter gesagt haben.

Der ergraute Herr mit Drei-Tage-Bart schweigt bisher zu den Vorwürfen. Über die Fälle des Waffenhandels hinaus beschuldigt ihn die Staatsanwaltschaft noch zwölf weiterer Vergehen. Inwieweit er seine Position für das Waffengeschäft missbraucht hat, muss noch geklärt werden: Die Rede war aber schon von selbstgebastelten Briefköpfen. KRISTIANA LUDWIG