Klima wird rasant

VON BERNWARD JANZING
UND NICK REIMER

Meteorologie und Klimaforschung haben einen neuen Arbeitsschwerpunkt gefunden: Schadensbegrenzung. Kein ernst zu nehmender Atmosphärenforscher zweifelt mehr daran, dass der Mensch drastische Klimaveränderungen durch Kohlendioxid provoziert. In Nürnberg suchen Wissenschaftler aus der ganzen Welt jetzt nach Möglichkeiten, die Auswirkungen von Klimakapriolen auf den Menschen in Grenzen zu halten.

Vordringliches Ziel der 80 Meteorologen und Klimaexperten ist eine verbesserte Zusammenarbeit nationaler Forschungsinstitute, um so die Risiken präziser vorhersagen zu können. Je mehr man über das System Erde und unser Klima wisse, desto besser könne man sich „auf die bevorstehenden Veränderungen mit richtigen politischen Entscheidungen einstellen“, sagte der Präsident des Deutschen Wetterdienstes (DWD), Udo Gärtner, zur Eröffnung der Konferenz.

Hier gilt es zu unterscheiden: „Katrina“ ist eine Wetterkapriole, kein Klima. Entstanden ist der Hurrikan über der Karibik. Wenn Wasser wärmer als 26 Grad ist und stark verdunstet, steigen große Massen feuchtwarmer Luft nach oben. Aufgrund der so genannten Corioliskraft – sie entsteht durch die Erddrehung – rotiert diese Luft beim Aufsteigen ums Zentrum. Der Wirbelsturm ist perfekt.

Intensität und Häufigkeit der Hurrikane hat allerdings sehr wohl etwas mit den veränderten klimatischen Bedingungen zu tun. „Meine Studie liefert den Beweis, dass globale Erwärmung und Hurrikan-Aktivität zusammenhängen“, erklärte Kerry Emanuel vom Massachusetts Institute of Technology. Mehr Kohlendioxid in der Atmosphäre wirkt wie ein Spiegel: Ein Teil der Sonnenenergie, der früher ins Weltall reflektiert wurde, wird jetzt auf die Erde zurückgeworfen – der so genannte Treibhauseffekt, der Luft und Wasser erwärmt. Nach Messungen des Deutschen Wetterdienstes ist die mittlere Jahrestemperatur so etwa in Deutschland um 0,7 Grad in den letzten 100 Jahren gestiegen. Und nie war es in den vergangenen 1.000 Jahren weltweit so warm wie heute.

Und: Wärmere Luft kann mehr Wasser aufnehmen. Entsprechend steigern sich Regenmengen und Windgeschwindigkeiten bei einem Hurrikan. „Die Stürme leben länger und sind heftiger“, bilanziert der Hamburger Klimaexperte Mojib Lativ die Wirkung des Treibhauseffektes.

Auf der Konferenz in Nürnberg geht es den Forschern bis Freitag aber gar nicht um die neuesten Erkenntnisse der Klimaforschung. „Die Veranstaltung ist sehr technikorientiert“, erklärt DWD-Sprecher Uwe Kirsche. Organisatorische und technische Vernetzung bis hin zum Datenformat stehen im Vordergrund. „Kombiniert man die Wetterdaten von den Messstationen der Erde mit denen der Satelliten, kann man bei jahrelanger Beobachtung die Trends des Klimawandels ablesen“, sagt Kirsche.

So viel weiß man: die Konzentration des Kohlendioxidgehalts in der Erdatmosphäre nimmt jährlich um etwa 0,4 Prozent zu. Umstritten sind die genauen Auswirkungen. Konservative Modelle gehen von 1,4 Grad Celsius mehr im Jahr 2100 aus, progressive von 5,8 Grad. Für Europa liegen die Prognosen bis 2100 sogar bei einem Anstieg von 2 bis gut 6 Grad bezogen auf das Jahr 1990.

Über die Möglichkeiten, die Klimakatastrophe zu verhindern ist in den letzten 20 Jahren alles gesagt worden – ohne wirkliche Konsequenz.

„Neu und Besorgnis erregend“ sei „die Rasanz der derzeit beobachteten Klimaänderung“, so Kirsche. Denn nie hat sich das Klima in so wenigen Jahren so drastisch geändert wie in den letzten Jahrzehnten, und wie es aller Voraussicht auch in den kommenden Jahrzehnten der Fall sein wird. Somit ergebe sich, heißt es bei den Wetterforschern, „die kritische Frage, ob wir Menschen uns schnell genug an die Klimaänderung werden anpassen können“. Die Wetterforscher setzen nun darauf, dass es „eines Tages vielleicht gelingen wird, das System Erde so gut zu verstehen, dass wir gezielt und wirkungsvoll eingreifen können, um negative Auswirkungen zu verhindern.“ Wie das konkret gehen soll, weiß allerdings auch in Nürnberg niemand.