Doppelter Mittelpunkt

DIE INI (VI) Ein Buchladen in Hamburg-Hamm bündelt Stadtteilinitiativen und lokalen Handel

Die Norddeutschen engagieren sich in Bürgerinitiativen gegen Verkehrsprojekte, für Tiere oder gegen Datenmissbrauch – mal laut und knallig, mal leise und beharrlich. Diese Serie stellt in loser Folge die Menschen hinter den Initiativen vor.

Diese Buchhandlung hat Charme. Bei „Seitenweise“ stehen nicht bloß Bestseller im Regal: Kekse und Kaffee sind auf einem Tischchen angerichtet, dazu ein Stuhl. Beatrix Holtmann und Elke Ehlert betreiben eine der letzten kleinen Buchgeschäfte im Osten Hamburgs, am Hammer Steindamm. Aber der Laden ist mehr als das, nämlich Dreh und Angelpunkt eines Zusammenschlusses von Initiativen und Gruppen. Die beiden Frauen sind Ideengeberinnen, Motor, der doppelte Mittelpunkt eines ganzen Netzwerks.

Hamburg-Hamm ist groß, wenn nicht sogar riesig. Der Stadtteil kommt immer wieder in typischen Backsteinfassaden daher. Kern sind Straßenzüge vom Anfang des 20. Jahrhunderts, viel Grün und gute Verkehrsanbindung gibt’s dazu. Um den S-Bahnhof Hasselbrook herum gruppiert sich ein kleines Zentrum mit kleinen Kneipen und Cafés, einem Obstgeschäft und einem wieder belebten Fischladen.

Die Seite www.hammwiralles.de will Initiativen und lokalen Handel bündeln. Wer nach den Initiatoren fragt, wird schnell weitergeschickt – zu Seitenweise. „Wir müssen uns hier im Stadtteil vernetzen, damit die Leute nicht denken, sie müssen für alles in die Stadt oder woanders hin gehen“, sagt Beatrix Holtmann. Sie wirkt vielleicht etwas still, ihre Berichte aus der Biografiegruppe sind umso interessanter: In der Gruppe erzählen ältere Stadtteilbewohner, daraus soll einmal ein Buch werden.

Draußen am Fischgeschäft schwatzen zwei Frauen, der Obsthändler pflegt seine Auslagen, und wenn das Wetter gut ist, sitzen die Leute im Freien. Dass die beiden Buchhändlerinnen hier aktiv sind, ist allerdings doch Zufall: Ihre Vorgängerinnen hatten den Laden fünf Jahre vor der Übernahme gegründet und wanderten dann aus. Zuvor hatte es in Hamm lange keine Buchhandlung gegeben.

Elke Ehlert kommt vom Ausliefern zurück. Sie brennt für den Stadtteil. Am wichtigsten, sagt Ehlert, seien ihr „die Gartenleute“. Die Gruppe kümmert sich um einen Stadtteilgarten ein paar Straßen weiter, zusammen mit Jugendlichen vom Verein „Rückenwind“, der mit Straffälligen arbeitet. Daraus wiederum ging das „Hammer Abendessen“ hervor: Produkte, die im Garten gewachsen sind, kommen dort auf den Tisch.

Keimzelle, wenn man so will, des Netzwerks ist die Bürgerinitiative „Hamm’se Zivilcourage“, die 2001 zusammen mit Schulen und Kirchen entstand und sich bis heute trifft.

Man nimmt den beiden Frauen ohne weiteres ab, dass all die Gruppen und Treffs, von denen die Rede ist, einen besonderen, einen Hammer Geschmack haben. Fraueninitiativen gibt es so manche, aber so, wie sie Holtmann schildert, vielleicht doch nicht: Da seien Nachbarinnen aus verschiedenen Generationen zusammengekommen, die alle schon einen Freundeskreis hatten, und nun hätten sich neue Verbindungen entwickelt. Es gibt geführte Spaziergänge durch den Stadtteil; die Idee zu einer „sozialen Skulptur“ im ehemaligen Supermarkt, bevor er abgerissen wird. Oft sitzen Partner mit im Boot, die Kontakte sind gut, viele hier duzen sich. Und die beiden Buchhändlerinnen: immer mittendrin. FBT