die woche in berlin
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Berlin schließt sich der bundesweiten Initiative „Schule gegen sexuelle Gewalt“ an. Die Leichtathletik-Europameisterschaft kommt in der Stadt gut an. Immer mehr Mietwohnungen werden in Eigentumswohnungen umgewandelt. Und der Senat stellt sang- und klanglos den Entwurf seiner Nahverkehrspläne für die nächsten Jahre ins Netz

Gute Idee! Aber was wird daraus?

Initiative „Schule gegen sexuelle Gewalt“

Ein bis zwei SchülerInnen pro Klasse sind dem Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung zufolge von sexueller Gewalt durch Erwachsene betroffen. Eine erschreckende Zahl. Sie zeigt, wie wichtig es ist, die Mitarbeitenden an Schulen für das Thema Missbrauch zu sensibilisieren: Wenn Leitung, LehrerInnen und ErzieherInnen besser darüber informiert sind, könnten sie schneller aufmerksam werden auf Kinder, die Hilfe brauchen – und eher eingreifen, wenn ein Kollege oder eine Kollegin einem Kind zu nahe kommt. Im besten Fall würden Übergriffe so verhindert.

Insofern ist es eine gute Nachricht, dass sich Berlin, wie jetzt bekannt wurde, zum neuen Schuljahr der bundesweiten Initiative „Schule gegen sexuelle Gewalt“ anschließt. Dabei gibt es nicht nur Fortbildungen für die PädagogInnen. Die Schulen sollen auch gemeinsam mit den Kindern und Jugendlichen ein Schutzkonzept entwickeln: An wen können sich Betroffene wenden, wenn sie in der Schule oder zu Hause einen Übergriff erleben? Gibt es Regeln, die SchülerInnen schützen könnten – zum Beispiel, dass bei Vier-Augen-Gesprächen immer die Tür offen bleiben muss?

So richtig das Anliegen, so zweifelhaft ist, dass viel davon bald auch Wirklichkeit wird. Es gebe zwar Arbeitsmaterialien, aber keine zusätzlichen Stellen, heißt es vom Senat. Ohne Personal, das für diese Aufgabe freigestellt wird, bleibt der Aufwand an den einzelnen Schulen und ihren Beschäftigten hängen. Sie müssen schauen, wie sie neben dem täglichen Geschäft, neben Unterricht, Vertretungen, Inklusion und Sonderprojekten nun auch noch ein Schutzkonzept gegen sexuelle Gewalt entwickeln.

Da sollte es niemanden wundern, wenn an den meisten Schulen erst mal nicht viel passiert. Wahrscheinlich ist man sich in der Bildungsverwaltung darüber im Klaren: Es ist geplant, für jede Schulart eine Pilotschule zu gewinnen, die beispielhaft ein Schutzkonzept erarbeitet – sodass zumindest dort etwas Vorzeigbares entsteht.

Berlin vergibt hier eine Chance. Zu einem funktionierenden Schutzkonzept gehört, dass man offen miteinander spricht, dass die Kinder sich jemandem anvertrauen können – und das auch wissen. Von so einer Schulkultur würden alle profitieren, nicht nur im Fall eines Missbrauchs. Dafür braucht es aber nicht nur Arbeitsmaterialien, sondern das, was an Schulen meistens fehlt: Zeit.

Antje Lang-Lendorff

Ein Schimmer Hoffnung

Leichtathletik-EM in der Stadt ist ein Erfolg

Es könnte klappen. Es könnte funktionieren, den Niedergang der Leichtathletik aufzuhalten. Jener Niedergang, der sich in der Absage von Sportfesten, dem Ende von Sponsorenverträgen und zumindest gefühlt immer weniger Fernsehpräsenz bei jener Sportart ausdrückt, der das Etikett „olympische Kernsportart“ anhaftet. Diese Hoffnung hinterlässt zumindest die Leichtathletik-Europameisterschaft, kurz EM, die am Montag begonnen hat und die an diesem Sonntag endet.

Zu lang, zu zerfasert, zu sehr unterbrochen von Siegerehrungen – das waren über Jahre die Kritikpunkte an Leichtathletik-Wettkämpfen. Weniger und weniger Leute kamen in die Stadion zu renommierten Wettkämpfe, auch das Berliner Istaf schien bedroht. Ihr müsst Euch reformieren, kompakter werden, riefen die Kritiker. Ihr wollte aus einem Sport ein Spektakel machen, am liebsten manche Disziplinen entsorgen, konterten die Traditionalisten. Lieber ein Mischmasch als überhaupt kein Wettkampf mehr, meinten die Kompromissbereiten.

Es ist eine Gratwanderung. Wenn ein Lauf- oder Sprungwettbewerb nur noch die Lücke vor dem nächsten Gesangsauftritt füllt, lässt sich kaum noch von einer Sportveranstaltung sprechen. Doch schon das Istaf hat in den vergangenen Jahren gezeigt, dass es möglich ist, unterhaltsam zu sein, ohne zur bloßen Show zu verkommen.

Diesen Weg hat nun die EM fortgesetzt. Die Wettkämpfe in die Stadt hineinreichen zu lassen, ist richtig – nicht nur mit dem Marathon oder dem Geher-Wettbewerb, sondern wie jetzt mit der kleineren 3.000-Leute-Arena am Breitscheidplatz mit der Kugelstoß-Qualifikation und Übertragungen aus dem Olympiastadion. Dort auch die Sieger zu ehren, lohnt sich gleich doppelt: Zum einen holt es die Stars in die Stadtmitte, zum anderen strafft es das Programm der Wettkämpfe im Stadion.

Die Stimmung bei der EM profitierte ungemein davon, dass die deutsche Sprint-Hoffnung Gina Lückenkemper wie erwartet schon am Dienstagabend eine Medaille im 100-Meter-Sprint holt, der besonders prestigeträchtig ist. Ihre Silbermedaille brachte jenes zusätzliche Interesse, das man sich erhofft hatte.

Der Erfolg der EM ist auch ein starkes Argument dafür, das Olympiastadion nicht zu einem reinen Fußballstadion umzubauen, das sich manche dort wünschen. Bei einem enttäuschenden Verlauf der Woche wäre es schwerer gefallen, an jener blauen Bahn festzuhalten, auf der Usain Bolt schon 2009 Weltrekord lief. So aber hat die EM bewiesen: Olympiastadion ist mehr Fußball. Stefan Alberti

das noch

Was wird aus der Mieterstadt?

Umwandlung in Eigentum boomt

Dass das Geschäft mit der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen in Berlin boomt, ist nichts Neues. Auch nicht, dass die Umwandlungsverordnung, die diesem Geschäftsmodell einen Strich durch die Rechnung machen soll, ein zu großes Schlupfloch hat. Wer zustimmt, die Wohnungen für sieben Jahre nur an die bisherigen Mieterinnen und Mieter zu verkaufen, bekommt die ersehnte Genehmigung vom Bezirk – auch wenn das Gebäude in einem Milieuschutzgebiet liegt.

Zu Recht fordert die linke Mietenpolitikerin Gaby Gottwald deshalb in dieser Woche, der Bund möge dieses Schlupfloch stopfen. „Die Dynamik bei Umwandlung ist besorgniserregend“, so Gottwald. „Es ist nicht hinzunehmen, dass Gegenmaßnahmen von Ländern und Kommunen unterlaufen werden, da der Bund seine mieterunfreundliche Politik nicht korrigiert.“

Aus der Antwort von Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) auf die Anfrage von Gaby Gottwald geht aber nicht nur hervor, dass die Umwandlungsverordnung kaum greift. Sie zeigt auch die Dimension, die das Ganze bereits angenommen hat. Nicht mehr 90 Prozent der Berlinerinnen und Berliner wohnen in der „Mieterstadt Berlin“ in einer Mietwohnung, sondern nur noch drei von vier. 25 Prozent des Berliner Wohnungsbestands sind also Eigentumswohnungen.

Nun könnte man spitzfindig anführen, dass auch diejenigen, die eine Eigentumswohnung gemietet haben, Mieter sind. Tatsächlich leben in 40 Prozent der umgewandelten Wohnungen noch Mieterinnen und Mieter und nicht die Käufer. Gleichwohl haben Befragungen ergeben, dass die Miete in vermieteten Eigentumswohnungen höher ist als in vermieteten Mietwohnungen.

Darüber hinaus droht jedem, der eine Eigentumswohnung mietet, nach entsprechender Kündigungsfrist eine Eigenbedarfskündigung. Vor Gericht wird selten geprüft, ob die Angaben der Eigentümer der Wahrheit entsprechen oder bloße Behauptungen sind.

In der „Mieterstadt Berlin“ muss deshalb nicht nur alles unternommen werden, um die Umwandlung zu stoppen. Es müssen auch diejenigen stärker geschützt werden, die in einer umgewandelten Wohnung leben. Uwe Rada

Gute Idee, aber klein- gehalten

Innovatives im Nahverkehrsplan

Warum der Entwurf des Berliner Nahverkehrsplans 2019–23 vor Kurzem sang- und klanglos ins Netz gestellt wurde? Unklar. Denn das 340-Seiten-Dokument, das nach Absegnung durch Senat und Parlament die, nun ja, Weichen für den öffentlichen Nahverkehr der kommenden Jahre und Jahrzehnte stellen wird, enthält jede Menge interessante Ideen und Vorschläge, die zu diskutieren es lohnt.

Vielleicht will die Verkehrsverwaltung erst einmal abwarten, wie das alles in der Öffentlichkeit so ankommt, und erst dann einen Schritt vortreten. Aber es wirkt, als misstraue Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos für die Grünen) ihrem eigenen Haus und dem beauftragten externen Sachverstand.

Der Plan beziehungsweise sein Entwurf setzen um, was das Mobilitätsgesetz und die Klimaziele von Rot-Rot-Grün fordern. Etwa die baldige Umsetzung der kompletten Barrierefreiheit im ÖPNV und die Dekarbonisierung der gesamten Busflotte bis 2030, sprich: Abschied vom Diesel, Umstellung auf Elektroantrieb. Gerade Letzteres soll laut dem Plan auf Basis einer Technologie geschehen, von der bislang in Berlin noch kaum die Rede war: Der Umstellung auf E-Busse, die aber nicht mit riesigen Batterien vollgestopft sind – vielmehr soll der O-Bus ganz groß wiederkommen.

Im Gegensatz zu batteriebetriebenen Bussen – 30 Stück hat die BVG schon mal geordert –, beziehen Oberleitungsbusse den meisten Strom während der Fahrt aus dem Netz, so wie eine Straßenbahn. Die kleine Batterie, die sie haben, lädt sich nebenbei auf und übernimmt den Antrieb dort, wo Kabel und Masten stören würden: an Kreuzungen oder in engen Straßenabschnitten. Der O-Bus ist deshalb nicht so unflexibel wie die Tram, aber viel energieeffizienter als Busse mit schweren und platzraubenden Batteriemonstern – von denen man im Übrigen deutlich mehr vorhalten muss, weil sie während ihrer Ladezyklen nicht unterwegs sein können.

Dass eine Umstellung auf diese sogenannte Streckenladung „ambitioniert“ ist – vor allem wegen der straßenseitigen Infrastruktur –, schreiben auch die ExpertInnen im Entwurf des Nahverkehrsplans. Wenn die Technologie aber tatsächlich die ressourcenschonendste nichtfossile Alternative darstellt, sollte sich die Verkehrsverwaltung die Umsetzung auf die Fahnen schreiben. Und das auch öffentlich machen. Claudius Prößer

Der O-Bus soll ganz groß wieder- kommen

Claudius Prößer über den Entwurf des Nahverkehrsplans für die Jahre 2019–23