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Einziges Mittel: Filme

Die Deutsche Kinemathek will mit einer Reihe von Filmen von Klaus Lemke das aktuelle Bild des Regisseurs etwas facettenreicher zeigen

Von Andreas Hartmann

Klaus Lemke beim Reden zuzuhören ist immer eine Sensation. Erst im Juli konnte man dieses Vergnügen mal wieder haben, als ausgerechnet der Privatsender Tele 5 eine kleine Lemke-Nacht veranstaltete und gleich drei Filme des Meisters hintereinander versendete. Lemke ließ es sich nicht nehmen, selbst in seine Werke einzuführen. Er stand dann da herum in irgendeiner Tiefgarage, die Schiebermütze wie immer weit in das Gesicht gezogen und redete interessantes, größenwahnsinniges, skurriles Zeug. Ein großer Spaß, auch wenn man sich nie sicher ist, ob seine Weisheiten nun genial oder doch eher gaga sind.

Seine Themen sind seit Jahren immer dieselben: Der deutsche Film ist am Ende, eine leidenschaftslose, tot subventionierte Ware ohne jede Bedeutung. Das einzige Mittel gegen diesen Missstand seien Filme, wie er sie mache: Chaos-Produktionen mit Laiendarstellern, finanziert mit fast nichts und ohne Staatsknete. „Wir bauen die schönsten Autos. Wir haben die schönsten Frauen. Aber unsere Filme sind wie Grabsteine“, schrieb er in seinem „Hamburger Manifest“ vor acht Jahren, in dem er eine neue Revolution des Filmemachens einforderte. Nur „Innovation statt Subvention“ könne den deutschen Film jetzt noch retten.

Dank solcher Aussagen, aber auch dank zig dieser außergewöhnlichen, wenngleich auch nicht immer wirklich gelungenen Filme hat Lemke in den letzten Jahren eine veritable Fan­-Gemeine auch bei jüngeren Leuten aus der Generation Netflix gewonnen. Der Mann ist inzwischen 78 Jahre alt, sehnig und knochig, wie er ist, sieht er jedoch aus wie ein Triathlet, und er kurbelt immer noch einen Film nach dem anderen herunter. „Bad Girl Avenue“, sein aktuelles Werk, war eben erst beim Filmfest München zu sehen.

Lemke ist Kult. Verehrt von Leuten wie Matthias Modica vom Münchner Hip-Label Gomma und von DJ Hell als einer der letzten Aufrechten, der noch wirklich seinen ganz eigenen Weg geht. Als Außenseiter, der Bohemian und Arbeitstier gleichzeitig ist und der auch im gehobeneren Alter allen den Stinkefinger zeigt, ohne dabei stillos zu wirken.

In der Reihe „Aus dem Fernseharchiv“ der Deutschen Kinemathek in Berlin unternimmt man nun den Versuch, das aktuelle Bild von Lemke etwas facettenreicher zu gestalten. In der Reihe, in der monatlich eine Perle von Fernsehfilm auf der großen Kinoleinwand bei freiem Eintritt gezeigt wird, sind aktuell Produktionen von Lemke an der Reihe, die in den Siebzigern im deutschen TV zu sehen waren. Filme wie „Idole“, „Die Sweethearts“ und „Amore“. Lemke-Filme, die damals tatsächlich ein Millionenpublikum fanden. „Amore“ hatte damals eine Einschaltquote von 52 Prozent und gewann den Adolf-Grimme-Preis in Silber. Es gab also einmal eine Zeit in Lemkes Karriere, da hatte er großen Publikumserfolg und erhielt Auszeichnungen. Und wo er den Dreh nicht unterbrechen musste, weil ihm mal wieder das Geld ausging.

Lemkes Filme spielen eigentlich immer entweder in München-Schwabing, Hamburg-St.Pauli und erst seit Neuestem auch in Berlin. Die Filme „Aus dem Fernseharchiv“, die im Zeughauskino zu sehen sind, gehören allesamt zur Kategorie Schwabing-Komödie. In allen drei Werken spielt seine damalige Muse Ingeborg Maria „Cleo“ Kretschmer mit, deren bayerischer Dialekt-Singsang schon ausreicht, um den Filmen einen hübschen Schwabing-Lokalkolorit zu verleihen. Vordergründig handelt es sich hier um eher seichte Komödien. Doch etwa in „Amore“, wo es um die Liebe der Tochter eines Gemüsehändlers zu einem italienischen Tomaten-Importeur geht, steckt dann doch so viel überzeichnetes Gastabeiter-Klischee und deutsches Italien-Bild, dass der Film als Sittengemälde seiner Zeit auch heute noch seinen Reiz hat.

Und ungewöhnlich bis experimentell sind diese nur vordergründig konventionellen Fernsehkomödien auch allein schon in ihrer Machart. Die Dialoge, das gehörte schon damals zum Lemke-Prinzip, wurden improvisiert, entstanden weitgehend spontan in den jeweiligen Drehsituationen. Manchmal hört man das auch, etwa wenn Cleo Kretschmer sich verhaspelt beim Dialog. Ein anderer Regisseur hätte gesagt: Halt! Cut! Noch mal, bitte! Doch dann wäre es verloren gegangen, das Ungezähmte und Wilde beim Filmemachen. Und dann wären keine echten Lemke-Filme entstanden, sondern eben doch bloß ganz normale Fernsehfilme.

Klaus Lemke – Die Sweethearts: Zeughauskino, Unter den Linden 2, 11. 8., 20 Uhr; Amore am 21. und 23. 9.

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