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berlinmusikZweimal Strom

Elektrizität ist mehr als bloß Strom, der aus der Steckdose kommt. Auch auf die Gefahr, esoterisch zu klingen: Da fließt was. Und damit lässt sich eine Menge anstellen. Musikalisch allemal.

Das weiß auch die Italienerin Caterina Barbieri, Wahlberlinerin, die elektronische Musik weniger als Gelegenheit begreift, Leute zum Tanzen zu bringen, als die Körper ihres Publikums in Schwingung zu versetzen. In der Regel ohne Beat. Dafür mit analogen Klängen.

Ihr aktuelles Album „Born Again in the Voltage“ trägt ihr magisches Verständnis von Musik aus Strom gut sichtbar im Titel. Was sie im Stockholmer Elektronmusikstudion in den Jahren 2014 und 2015 an elektroakustischen Studien erstellt hat, ist von New Age weit entfernt. Mit ihrem Buchla 200 Synthesizer, einem dieser klassischen Modularsysteme mit vielen Steckverbindungen, in die man Kabelenden stopfen kann, macht sie das Beste aus den räumlichen Möglichkeiten, die diese wie fremde Lebewesen in die Gehörgänge drängenden Töne offenbaren.

Fließen tun auch ihre liegenden Bässe und langsam mäandernden Figuren, die weniger durch Geschwindigkeit beeindrucken als so gut es geht ihren Obertonreichtum entfalten sollen. Ein bisschen das akustische Äquivalent zu slow food. Wobei sie keine Synthesizerpuristin ist. Neben ihrem Instrument kommt noch das Cello von Antonello Mostacci hinzu, mit ähnlich konsequentem Drone-Einsatz, und vereinzelter Gesang, der eher unterstützend im Hintergrund wirkt als dass er das Geschehen maßgeblich bestimmen würde. Am Ende steigert Barbieri dann noch einmal merklich die Dynamik.

Wenn das alles zu viel Action sein sollte, gäbe es alternativ Barbieris Split-Album, das sie sich mit dem Kollegen oder der Kollegin Eleh teilt. Wer hinter dem Pseudonym steckt, weiß man nicht, dafür weiß man zuverlässig: Wo Eleh draufsteht, sind allersparsamste Drones drin. Was für „Born Again in the Voltage“ und das langsame Ausbreiten des Materials gilt, gilt in diesem Fall noch einmal potenziert. Für beide Beteiligten. Vor Langeweile schützt ein Kosmos an Farben, der aus dem allmählichen Aneinanderreiben dieser Frequenzen entsteht. Gute Sache.

Tim Caspar Boehme

Caterina Barbieri: „Born Again in the Voltage“, live 26. 8., Kraftwerk

Caterina Barbieri/Eleh: „Split LP“ (beide Important Records)

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