Kito Nedoschaut sich in Berlins Galerien um:
Wir sind in der Phase des Berliner Sommers angekommen, in der die Stadt weitestgehend verlassen wirkt. Ab und zu trifft man aber doch zufällig Bekannte – wie neulich den Unternehmer, Autor und Gestalter Rafael Horzon auf der Torstraße. Im Frühjahr hat das renommierte Vitra Design Museum in Weil am Rhein vier Horzon-Entwürfe für seine Sammlung angekauft, darunter einen Prototypen des schönen und praktischen Universalregals „Modern“ aus purem MDF. Horzon montierte es erstmals 1999 zusammen und lehrte Ikea-Billy das Fürchten. Bevor die Kunsttransportkisten gepackt werden sind die Horzon-Klassiker noch einmal in einer Schaufenster-Ausstellung bei Möbel Horzon zu sehen (bis 15. 8., Torstr. 94).
Den umgekehrten Weg haben die rund 30 Ausstellungsstücke in der Sommerausstellung der Berliner Dependance des Münchner Auktionshauses Ketterer Kunst in der Fasanenstraße genommen. Sie kommen aus dem Museum für konkrete Kunst in Ingolstadt und stellen einen repräsentativen Querschnitt durch die Sammlung der Institution dar. Es lohnt sich, die Labels zu den Bildern zu studieren, denn diese haben mitunter herrlich vertrackte Titel. Sofort versteht man den Zusammenhang zwischen konkreter Kunst und konkreter Poesie. Der Schweizer Maler Richard Paul Lohse (1902–1988) etwa verpasste seinem durch Repetition und rhythmische Verschiebungen tanzendem Farbfeld-Bild von 1950/62 den kantigen Titel „Fünfzehn systematische Farbreihen in progressiven Horizontalgruppen“. Gudrun Piper (1917–2016) wiederum arbeitete vornehmlich mit Quadratformen. Die Malerin und Grafikerin erblickte in ihnen das „reinste Zeichen“ und schätze sie wegen ihrer „großen Ruhe“ (bis 30. 9., Mo.–Fr. 10–18, Sa 11–16 Uhr, Fasanenstr. 70).
Um die Schau des nomadischen Ausstellungsprojekts Schneeeule (betrieben von Silke Nowak und Matti Bergmann und Teil des diesjährigen Project Space Festivals) zu sehen, muss man sich beeilen. Bis zum Samstag werden in einem Kreuzberger Ladengeschäft Arbeiten auf Papier gezeigt – und zwar von den Künstler*innen Tabea Blumenschein, die auch als Schauspielerin und Schriftstellerin arbeitet, Hilka Nordhausen (1949–1993) die von Mitte der Siebziger bis Anfang der Achtziger in Hamburg die legendäre „Buch Handlung Welt“ betrieb, der jungen Berliner Künstlerin Ayumi Rahn sowie dem hier vermutlich wohlbekannten taz-Bildkolumnisten und Lebenshilfe-Vorstand Christian Specht (bis 11. 8., Sa 14–18 Uhr u. nach Vereinbarung, mail@s-c-h-n-e-e-e-u-l-e.de, Neuenburger Str. 9, Eingang Ecke Alte Jakobstraße).
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