DIE GESELLSCHAFTSKRITIK
: Totgesagte senden länger

WAS SAGT UNS DAS? YouTube startet zwölf Nischenkanäle in Deutschland und bindet damit erfahrene TV-Produktionsfirmen samt Archiven an die Videoplattform

YouTube macht jetzt Fernsehen. Nicht nur diese Hobbyvideos, in denen Charly seinem Bruder in den Finger beißt, nicht nur Hamster, die zu einem pompösen Tusch dramatisch in die Kamera gucken. Das alles wird es weiterhin geben – doch nun kündigt YouTube auch in Deutschland den Start von zwölf „Originalkanälen“ an – kleinen Sendern, die Nischenthemen besetzen sollen. Von Autoberichten bis zu einer Extremsportshow, von einem UFA-produzierten Unterhaltungsformat bis zu einem „Survival Guide“ für Eltern vom Produktionsgiganten Endemol.

Dass Jugendliche immer seltener den Fernseher einschalten und immer mehr Videos im Netz ansehen, haben Studien in den vergangenen Jahren immer wieder belegt. Und: YouTube will keine reine Abwurfhalde sein für irgendwo aus dem Netz gemopste urheberrechtlich geschützte oder abgabenpflichtige Musikvideos und Filmschnipsel: Seit einigen Jahren fördert die Plattform willige Jungfilmer, die kleine Filmchen mit Kosmetiktipps, Computerspielbesprechungen oder Popsongparodien machen, es locker auf 750.000 Abonnenten bringen und von den Werbeeinnahmen leben können.

Mit Produktionsfirmen wie Endemol und der UFA bindet YouTube nun erfahrene TV-Partner mit prall gefüllten Archivschränken an sich – alles potenzieller YouTube-Content. Und auch wenn die Plattform das anders verkauft: Das riecht nach ordentlich Konkurrenz für traditionelle TV-Sender.

Dazu kommt: Praktisch jedes neu verkaufte TV-Gerät ist internetfähig. Und irgendwann werden auch deutsche Nutzer merken, dass man sich jeden YouTube-Content auch großformatig auf dem Fernseher angucken kann. Bedeutet: Fernsehen ist noch lange nicht tot. Solange YouTube dabei bleibt. MLA