Guter Schimmel gegen den Krebs-Pilz

Bonner Wissenschaftler wollen den giftigen Pinselschimmel mit einem Verwandten bekämpfen, der kein Toxin produzieren kann. Das könnte großen Teilen der Bevölkerung in Westafrika helfen: 99 von 100 Kindern in Benin leiden unter dem krank machenden Stoff

Aflatoxine zählen zu den stärksten krebsauslösenden Naturstoffen. Produziert werden sie vor allem vom Schimmelpilz Aspergillus flavus. Er wächst in trocken-heißen Regionen und befällt Mais oder Erdnüsse. Wissenschaftler der Universität Bonn und des International Institute of Tropical Agriculture in Ibadan (IITA), Nigeria, wollen den hochgiftigen Schimmelpilz nun mit einer ungewöhnlichen Methode bekämpfen: Sie „impfen“ die Felder mit einer Aspergillus-Variante, die kein Toxin produzieren kann, und hoffen, dass der „gute“ Schimmel den „bösen“ verdrängt.

Wie schädlich der Schimmel wirken kann, haben englische Landwirte Anfang der 1960er Jahre feststellen müssen: Damals starben in England mehr als 100.000 Truthähne an Leberkrebs. Als Auslöser der mysteriösen „Turkey-X“-Krankheit identifizierten die Forscher verschimmeltes Erdnussmehl aus Brasilien, das große Mengen Aflatoxin enthielt. Bis heute gilt das Gift als einer der stärksten krebsauslösenden Naturstoffe.

Aspergillus flavus wächst im Südwesten der USA ebenso wie in vielen Regionen Afrikas und Asiens. Gerade in den Ländern des Südens ist der gefährliche „Pinselschimmel“ allgegenwärtig. Vielleicht ist das auch der Grund für die hohe Leberkrebsrate in Afrika. „Unsere Kollegen vom IITA konnten kürzlich bei 99 von 100 Kindern aus Benin und Togo Aflatoxin im Blut nachweisen“, sagt Richard Sikora vom Bonner Institut für Pflanzenkrankheiten, „die Folge sind drastische Wachstums- und andere Entwicklungsstörungen.“

Abhilfe verspricht eine Idee des US-Forschers Peter J. Cotty – ebenso einfach wie genial. „Es gibt neben den gefährlichen Aspergillus flavus-Stämmen auch solche, die gar kein Gift produzieren können“, erläutert der Bonner Pflanzenpathologe Sebastian Kiewnick. „Cotty hat einen solchen ungiftigen Aspergillus-Stamm auf Baumwollfeldern verteilt. Der ungefährliche Stamm war dadurch erheblich in der Überzahl und konnte die toxische Variante fast vollständig verdrängen.“ Die Folge: Die Aflatoxin-Belastung der Baumwolle ging um mehr als 98 Prozent zurück und lag damit unter dem US-Grenzwert für Futtermittel – wichtig, weil Baumwollsamen in der Tierernährung eingesetzt werden.

Vor zwei Jahren wurde der „gute“ Pilz in den USA zugelassen. Fünf Kilo pilzbewachsene Getreidekörner reichen aus, um eine Fläche von einem Hektar zu „impfen“ – die Methode ist also relativ kostengünstig. „Gerade für Entwicklungsländer wäre das die ideale Strategie, um das Aflatoxin-Problem in den Griff zu bekommen“, glaubt Sikora.

Der Wissenschaftler hat schon Erfahrung beim Kampf gegen tropische Pflanzenkrankheiten. Seit zwei Jahren sucht das Bonner Team nach einem Schimmelpilz-Isolat, das garantiert kein Aflatoxin bilden kann – man will schließlich nicht den Teufel mit Beelzebub austreiben. „Außerdem muss die Aspergillus-Variante so ,fit‘ sein, dass sie sich in der freien Wildbahn gegen ihren giftigen Verwandten durchsetzen kann“, sagt Sikora. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung fördert das Projekt bis 2006 mit insgesamt 1,2 Millionen Euro.

Zusätzliche Schäden seien durch die massive „Impfung“ der Felder nicht zu befürchten. „Dass Mais oder Nüsse zu einem gewissen Grad von Pinselschimmel befallen werden, lässt sich kaum verhindern“, betont Kiewnick, „wir können nur beeinflussen, welcher Aspergillus-Stamm darauf wächst: Ein gefährlicher Toxinproduzent – oder die ungiftige Variante.“ HOLGER ELFES