LESERINNENBRIEFE
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Wo sind die Frauen?

■ betr.: „Ein, zwei, drei, zuppa!“, taz vom 5. 10. 12

Wo sind die Frauen? Der Artikel handelt nur davon, wie Männer auf dem Oktoberfest feiern, und ich muss sagen, dass meine Erfahrung nicht anders ist: Als Mann kann man dort wunderbar sein tradiertes Rollenbild erfüllen: saufen bis zum Kotzen, Peniskostüme anziehen, Frauen anmachen und mehr. Als Frau kann man auch saufen und singen, klar, aber gleichzeitig muss frau konstant auf sich und die Freundinnen aufpassen, weil einfach hemmungslos gegrapscht und angemacht wird. Vor ein paar Tagen berichtete die Süddeutsche Zeitung, dass die Anlaufstelle für Mädchen und Frauen für sexualisierte Übergriffe dieses Jahr total überlastet ist und dass es schon am ersten Tag zu einer Vergewaltigung kam. Was ist das für eine Feier, in der die einen alles rauslassen dürfen und die anderen sich schützen müssen? Ein Skandal! Mit der von der taz oft bemühten journalistischen Qualität hat das auch nichts mehr zu tun! Berichtet doch wenigstens auch über die andere Seite! LEANDER LA FLEUR, Berlin

Wenig Aufschlussreiches

■ betr.: „Ein, zwei, drei, zuppa!“, taz vom 5. 10. 12

Trotz seiner Länge bietet der Artikel wenig Aufschlussreiches, geschweige denn gut Beobachtetes; nicht einmal Witziges in der Beschreibung des interkulturellen Zusammenpralls. Was wurde an typisch italienischer, deutscher oder bayerischer Lebensart hier aufgedeckt? Ist das, was Festzeltordner bei so einer Massenveranstaltung an Ordnung durchzusetzen versuchen, typisch deutsch? Ist der „Spaß“ an Ganzkörperkondomen, das Tanzen auf den Tischen oder sogar das verballhornende Mitsingen typisch für dies- oder jenseits der Alpen?

Chupa soll italienisch sein und „Blasen“ heißen? Nicht nur hier liegt schon ein kulturelles Missverständnis in dem der Sprache. Que festa? No, che noia – che barba!

MARTIN WUNDSAM, MASSIMO DE CARLO, Lörrach

Keine schöne Aussicht

■ betr.: „Relaxter Stresstest“, taz vom 5. 10. 12

Selbst der weichgespülte Stresstest der europäischen Atomkraftwerke macht noch deutlich, welch hohem Risiko wir allein durch den Normalbetrieb dieser Meiler ausgesetzt sind. Was uns konkret bevorstehen kann, wurde im Mai in einer viel zu wenig beachteten Studie des renommierten Mainzer Max-Planck-Instituts für Chemie aufgezeigt (www.mpg.de/5809185/Kernenergie_nuklearer_Gau). Die Forscher errechneten aus der Häufigkeit der bisher aufgetretenen Kernschmelzen, dass alle 10 bis 20 Jahre ein Super-GAU wie in Tschernobyl oder Fukushima auftreten kann. Also 200-mal häufiger als bisher angenommen.

Wir im dicht besiedelten Westeuropa tragen dabei im weltweiten Vergleich das höchste Risiko, radioaktiv verseucht zu werden. Das liegt an der hohen Reaktordichte auf unserem Kontinent. Nach den Computersimulationen der Mainzer Atmosphärenforscher würden bei einer Reaktorkatastrophe nämlich mehr als 50 Prozent der freigesetzten radioaktiven Cäsium-137-Teilchen weit verteilt. Auch in mehr als 1.000 Kilometer Entfernung kann das noch zu über den Grenzwerten liegenden Verstrahlungen führen. Bei einer Halbwertszeit von 30 Jahren würde dies bei der dichten Besiedlung das Erkrankungsrisiko erhöhen und zu desaströsen Wertverlusten von Grundstücken und Immobilien führen. Keine schöne Aussicht, wenn man bedenkt, dass ein AKW schlechter versichert ist als 50 Autos. Dabei sind die Alternativen schnell verfügbar: Die Drosselung unserer gigantischen Energieverschwendung und der Ausbau der erneuerbaren Energien müssten nur europaweit konsequent umgesetzt werden. Das Risiko eines unreflektierten „Weiter so“ steht in einem eklatanten Missverhältnis zu den positiven wirtschaftlichen Impulsen, die ein regenerativer Entwicklungspfad sowohl für das heutige Krisen geschüttelte Europa als auch für künftige Generationen auslösen kann. WOLFGANG SCHÄFER, Waldkirch

„Mir kommen die Tränen“

■ betr.: „Wir müssen die Kosten in den Griff kriegen“, taz v. 6. 10. 12

Mir kommen bei den Aussagen des Philipp Rösler die Tränen.

Die enormen Gewinne der Energieversorger werden doch von den Verbrauchern finanziert, warum kommt denn niemand auf die Idee, die zu begrenzen? Ach so, nicht marktwirtschaftlich, stattdessen soll der Staat lieber auf Steuereinnahmen verzichten! Wenn man schon Marktwirtschaft will, dann bitte konsequent. Würden für die Atomstromindustrie die gleichen Versicherungsbedingungen eingeführt wie für jede andere riskante Technologie, am nächsten Tag würden alle AKWs vom Netz gehen, weil sie keinen Versicherer finden würden! Seinerzeit hatte Rot-Grün sich die Zustimmung zum Atomausstieg durch die Schaffung einer Poolversicherung erkauft. Die Schadenssumme wird auf 2,5 Milliarden Euro begrenzt, darüber zahlt sowieso der Bund und gilt für das AKW, das gerade havariert. Man zahlt die Prämie für ein AKW, sie gilt aber für alle. Das wäre so, als würden sich 100 Autofahrer zusammentun und nur noch für ein Auto die Prämie zahlen, der Versicherungsschutz würde aber für alle gelten. Die Schadenssumme würde auf 100.000 Euro gedeckelt, sollte ein größerer Schaden entstehen, springt der Bund ein. Absurd?! Für die Atomindustrie nicht! Ein weiteres Beispiel für die teils absurden Pervertierungen des marktwirtschaftlichen Systems: Viele Verbraucher zahlen aus Sorge um den Klimawandel mehr für den Strom als diejenigen, die das Klima weiter anheizen. Nach dem Verursacherprinzip müsste es umgekehrt sein. UWE SPIECKERMANN, Buchholz