Walsum wird sozialverträglich

Schwarz-Gelb feiert den ersten Verhandlungserfolg. Das Bergwerk Walsum wird früher geschlossen. Risikoabbau unterm Rhein wird unterlassen. Nur Bergbaugegner beklagen „Mogelpackung“

AUS WALSUM ALEXANDER FLORIÉ

Ernst, aber zufrieden traten die NRW-Minister Christa Thoben (Energie), Eckhard Uhlenberg (Umwelt) und Karl-Josef Laumann (Arbeit; alle CDU) nach der Mittwochs-Kabinettssitzung vor die Presse. Im Gepäck: Die „Walsumer Verständigung“ zwischen der Landesregierung und der Deutschen Steinkohle. Inhalt: Die sozialverträgliche Schließung der Zeche Walsum zum 30. Juni 2008 statt zum 1. Januar 2009, keine neue Abbauvorhaben unter dem Rhein und eine Anpassung der Untertage-Betriebe, so dass es keine weitere Deicherhöhungen gibt. Dafür soll der Abbau am Naturschutzgebiet Mommniederung in Voerde weitergehen – und zwar ab sofort, um einen Verlust für die Steinkohle zu verhindern: „Wir haben die Bezirksregierung Düsseldorf angewiesen, den Kreis Wesel anzuweisen, die Erlaubnis bis Donnerstag zu erteilen“, sagte NRW-Umweltminister Eckhard Uhlenberg.

Der Minister preist die Einigung als einen ersten großen politischen Erfolg in der kurzen Amtszeit: „Das ist ein Signal in die Region und das haben die Menschen dort auch von uns erwartet.“ Für Uhlenberg sind alle wesentlichen Forderungen erfüllt worden: „Ich glaube, wenn man eher die Verhandlungen in dieser Form geführt hätte, dann wäre es auch eher möglich gewesen, dass unter dem Rhein keine Kohle mehr abgebaut wird“ – im Triumph wurde also etwas Nachgetreten. Energieministerin Christa Thoben lobte hingegen den „fairen Kompromiss, der sowohl den Belangen des Umweltschutzes als auch der Beschäftigten Rechnung trägt.“ Arbeitsminister Karl-Josef Laumann erläuterte die flankierenden Maßnahmen des Landes für die Bergleute: Die Anpassungsgelder bis 2008 würden entsprechend der Bewilligungsbescheide verlängert. Für die 4.500 Bergleute bedeute das 113 Millionen Euro.

Auch DSK-Chef Bernd Tönjes zeigte sich zufrieden: „Der gefundene Kompromiss ist uns natürlich nicht leicht gefallen, aber es gibt keine Gewinner und keine Verlierer. Wir sind bis an die Grenzen dessen gegangen, was machbar war.“ Die DSK verzichtet im Bereich Mehrum auf zwei Abbauhöhen mit immerhin 1,3 Millionen Kohletonnen und 30 Millionen Euro Vorinvestition. Dazu kommen noch geringere Auswirkungen auf Voerde-Spellen, das Einzugsgebiet des Wasserwerks Löhnen und Anpassungen an einem linksrheinischen Deich. Und doch: „Wir haben uns Planungssicherheit bis Mitte 2008 eingehandelt. Eine Perspektive, die wir tragen können.“

Nachgebessert wird an dem Entschluss ohnehin nicht mehr. Das erfuhren am Mittwochabend auch die 1.500 Kumpel in der Lohnhalle der Zeche Walsum: „Seit der Erörterung 2001 haben die Querelen nicht abgerissen – und insofern sind wir natürlich froh, dass diese Querelen jetzt ein Ende haben“, sagte DSK-Chef Tönjes.

Bei der Bergbau-Gewerkschaft sieht man das ähnlich. „Wir können damit leben, ja – aber es ist jetzt auch wirklich Spitz auf Knopf“, so der Duisburger IGBCE-Bezirksleiter Uwe Goemann. Weitere Verzögerungen im Abbau hätten das gesamte Anpassungskonzept der DSK gefährdet. „Wenn wir jetzt Planungssicherheit haben für die Belegschaft, ist das positiv – mehr war wohl nicht zu holen“, stieß Betriebsrat Michael Hörning ins selbe Horn.

Doch was die Planungssicherheit angeht, sind Walsumer Kumpel wie Helmut Plückelmann eher skeptisch: „Die Entscheidung fällt wahrscheinlich am 18. September“.

„Wesentliche Forderungen von uns sind nicht erfüllt worden“, kritisiert der Chef der Voerder Bürgerinitiative Bergbaubetroffener BiB, Klaus Friedrichs: „Es gibt weiterhin Abbau unter dem Rhein – vor allem auf der linken Rheinseite und in Walsum.“ Hinzu komme noch der nun genehmigte Abbau unter dem Trinkwasserschutzgebiet Mommbach „mit der gigantischen Fördermenge von 20 Millionen Kubikmeter“. Die müssten nun bis zum Sankt Nimmerleins-Tag über den Rhein gepumpt werden. Friedrich spricht von einer „Mogelpackung“: „Ein schlechter Deal für die Umwelt und ein guter Deal aus Sicht der DSK für ihre Arbeitsplätze.“

Nüchterner beurteilen die betroffenen Kommunen die Einigung: „Wir haben die Maximalforderungen nicht erreicht, aber die DSK auch nicht“, sagte Voerdes Bürgermeister Leo Spitzer. Man müsse sehen, dass man vom Endpunkt 2019 im Rahmenbetriebsplan auf Sommer 2008 gekommen sei. Vielleicht werde die DSK am Mommbach freiwillig noch eine Spundwand fürs Wasser bauen, das wäre auch eine zusätzliche Deichsicherheit und ein Signal für die Betroffenen. Die Klagen gegen den Rahmenbetriebsplan der Zeche nimmt die Stadt aber trotz Walsumer Eintracht nicht zurück: Für Oktober ist vor dem Oberverwaltungsgericht Münster der nächste Termin anberaumt.