briefe
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Hin zum CSD?

„Pride am Samstag“, taz vom 26. 7. 18

Seit Stunden liege ich wach im Bett, denn die Parade des Berliner Christopher Street Days naht und meine innere Zerrissenheit, wenn ich an diese Veranstaltung denke, raubt mir den Schlaf.

Aber es ist nicht nur die Parade selbst, es sind all die Unterhaltungen und Beobachtungen vorwiegend in der männlichen Gay Community, die ausschließlich exzessiven Drogenkonsum, anonymen, zumeist ungeschützten Sex und wie viele Tage man am Wochenende wieder in einem der unzähligen Clubs der Stadt verbracht hat, zum Thema haben.

Bis auf das „ungeschützt“, war ich auch jahrelang am Start, aber zunehmend stellt sich eine Unzufriedenheit mit dieser destruktiven und nur in die innere Leere führenden Lebensweise und der Tatsache ein, dass, egal mit wem man sich trifft, egal an welchem Ort, egal welchen Background die Person gegenüber hat, egal zu welchem Anlass, nur die skizzierten Themen von Relevanz zu sein scheinen.

Und dann ist da ja noch diese Parade: eine Zurschaustellung aller überzeichneter Stereotype der Szene, die sich spätestens seit den 1980er Jahren kaum weiterentwickelt hat, und die das Einzige sind, was die homophoben Eltern auf dem Land von der Community mitbekommen. Gleichzeitig ist da aber auch der Rechtsruck der Gesellschaft, der wie schleichendes Gift immer größere Teile der Menschen infiziert, und eine Partei sitzt im Bundestag und zahlreichen Landtagen, die schon vor Jahren die Zählung Homosexueller forderte. Ist jetzt also wirklich die Zeit, nicht auf die Straße zu gehen, Gesicht zu zeigen und Freiheiten, die die Rechten einschränken wollen, zu zelebrieren?

Bin also ich, der seit Jahren „Queer liberation. Not rainbow capitalism“ fordert, das eigentliche Problem? Denn nein, es geht Levis nicht um Akzeptanz, wenn sie überteuerte T-Shirts mit Regenbogen drauf verkaufen. Das ist nichts als die Monetisierung einer vermeintlich finanzstarken Zielgruppe: Double Income No Kids. In Realität dreht die Mehrheit der Queer Community jedoch jeden Cent dreimal um, da viele in prekären und/oder schlecht bezahlten und wenig anerkannten Jobs arbeiten, und beschweren sich, wenn das Bier in der geliebten Bar am Kotti auf einmal 2,80 Euro statt 2,50 Euro kostet. Bin ich selbst so von neoliberalen Gedanken kooptiert, dass ich mich der Homonormativität ergebe und aufhöre, die Vielfalt, das Bunte meiner Community zu feiern? Bin ich es, der so sehr assimiliert ist an den Status quo, dass er nicht mal mehr auf die Straße will, wenn die Queer Community vom Ku’damm zum Brandenburger Tor zieht? Ich weiß es nicht mehr.

Name ist der Redaktion bekannt

Die „Clans“

„Ermittlungen gegen Berliner Großfamilie“, taz vom 20. 7. 2018

In letzter Zeit höre ich oft, dass über „die arabischen Großfamilien“ verallgemeinert als Clan gesprochen wird. Ich stamme aus einer arabischen Großfamilie und meine Familie unterstützt seit 2008 die Integration in Berlin. Wir haben den gemeinnützigen Verein Multikulturelles Jugend Integrationszentrum e. V. in Charlottenburg-Wilmersdorf damals gegründet, um Jugendliche von der Straße fernzuhalten und durch Bildung wie Hausaufgaben- und Nachhilfe oder durch Seminare und Workshops gegen Jugendkriminalität zu unterstützen. Als anerkannter Träger der freien Jugendhilfe im Land Berlin arbeiten wir unter anderem mit Jugendamt, Senat, Polizei zusammen. Ich finde, dass man auch über arabische Großfamilien berichten sollte, die einen Beitrag in unserer Gesellschaft leisten, und nicht immer nur die negativen Schlagzeilen bringen. Ali Khan, Berlin

Crashkurs

„In der Mangel“, taz vom 23. 7. 18

taz.die tageszeitung Rudi-Dutschke-Str. 23 10969 Berlin briefe@taz.de www.taz.de

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Ich arbeite seit achteinhalb Jahren als Lehrer an einer privaten Berufsfachschule, an der auch Sozialassisten*innen ausgebildet werden, von denen viele nach erfolgreichem Abschluss in die Erzieher*innenausbildung wechseln. Die, die auch diese Ausbildung schaffen, sind gut ausgebildete und vom Land Berlin so dringend gesuchte Fachkräfte für Kitas. Leider wird derzeit die langjährige Praxis der Agentur für Arbeit oder der Jobcenter, die Sozialassistent*innenausbildung mit einem Bildungsgutschein zu fördern, eingestellt. Dadurch sind viele unserer Schüler*innen, die zum Teil schon selbst Kinder haben, dazu gezwungen, die Ausbildung abzubrechen. Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels in den Kitas ist das ein Skandal! Warum das so ist? Da halten sich die entsprechenden Stellen bedeckt. Vielleicht sollte Bildungssenatorin Scheeres auf dieser Ebene mal aktiv werden! Aber offensichtlich ist es ja einfacher, Crashkurse zu veranstalten. Rüdiger Loeffelmeier, Berlin

Ihr habt es gut

„180 Punkte für die Pünktlichkeit“, taz vom 19. 7. 18

liebe berliner, ihr wisst ja gar nicht, was ihr für einen guten nahverkehr habt: in münchen, der hauptstadt der bmws, fährt die s-bahn bei ihren häufigen verspätungen schon seit langem an nicht schienengebundenen umsteigebahnhöfen – meist ohne vorherige ankündigung – einfach durch. und dies bei mindestens 20-, wenn nicht 40-minütiger frequenz. friedrich thorwest, pullach