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Teilhabe als Nachlass

Die Literaturwissenschaftlerin Helga Grubitzsch „vererbt“ Bremen eine Stiftung für Migrantinnen

Macht sich für Frauen und Mädchen stark: Helga Grubitzsch Foto: Uni Bremen

Von Jens Fischer

Sie hat geforscht, gelehrt und gelernt – über Frauen in gesellschaftlichen Umbruchsituationen, in der Literatur – und ganz grundsätzlich über Themen wie „weibliche Wirklichkeit und männliche Phantasien“: Mit feministischem Furor unterstützte Helga Grubitzsch ab 1971 die Imagebildung der Bremer Universität als progressiv politisierte Akademikerschmiede und hat den Frauenkultur-Bildungsverein „Belladonna“ mitbegründet. Heute ist Grubitzsch im Ruhestand und die Frage treibt sie um, wie ihr wissenschaftliches und gesellschaftlichen Wirken fortleben kann. Jetzt hat die Literaturprofessorin einen Weg gefunden, weiterhin Frauen selbstbewusst und in der Wissenschaft sichtbar zu machen: über eine Stiftung zur Förderung der Ausbildung junger geflüchteter Frauen.

„Ich habe keine Erben und möchte mein Vermögen langfristig sinnvoll und fördernd einsetzen“, sagt die heute 75-Jährige. So verfügte sie testamentarisch, dass das Kapital der Stiftung nach ihrem Tod ihre Wohnungen in einem Haus im noblen Bremer Barkhofviertel bilden sollen. Wenn diese nach heutigem Stand vermietet wären, müssten nach Abzug aller Kosten monatlich etwa 1.500 Euro für den Stiftungszweck zur Verfügung stehen – und könnten an der Schnittstelle zwischen Schule und Universität wirksam werden.

Drei bis fünf junge geflüchtete Frauen pro Jahr könnten davon am Anfang profitieren. In den letzten drei Klassen vor dem Erlangen der Hochschulreife würden ihnen 30 bis 50 Euro monatlich ausbezahlt – 300 Euro dann anschließend Bafög-unabhängig an der Universität Bremen. Voraussetzung: gute Leistungen und finanzielle Bedürftigkeit. Ein dreiköpfiges Stiftungskuratorium soll die Stipendiatinnen auswählen, eine Vertrauensperson ihnen zur Seite stehen.

Die Universität Bremen wird die Grubitzsch-Stiftung treuhänderisch verwalten. „Ich bin dort mit offene Armen empfangen worden“, betont die Stifterin. Ihr Anliegen passt schließlich prima ins Konzept der dortigen „Diversity-Strategie“, mit der Geflüchteten das Studium erleichtert werden soll. Noch seien deren Zugänge aber nicht so wie gewünscht, bedauert Uni-Kanzler Martin Mehrtens.

Warum nur Frauen? „Weil besonders die jungen Männer aus Syrien und anderen Herkunftsländern schon gefördert werden. Ich habe mich hier auch für unbegleitete Jugendliche engagiert, die in einem Wohnheim in der Nachbarschaft untergebracht waren“, sagt Grubitzsch. „Die Mädchen aber“, so ihre Erfahrung, seien kaum zu sehen. Klar, Geflüchtete sind zumeist männlichen Geschlechts. Aber die Mädchen, die mit ihren Familien migriert oder nachgezogen sind, seien meist zu Hause und arbeiteten mit. Schnelle Heirat sei vielfach für sie vorgesehen – nicht gute Bildung.

Die Schule sollte die jungen Frauen animieren, sich um die Stipendien zu bewerben, meint Grubitzsch: „Sie brauchen eine gute Ausstattung, einen Laptop beispielsweise. Ich hoffe, sie kaufen auch Bücher, die Zuwendungen sind explizit auch dazu gedacht, Tickets für kulturelle Veranstaltungen zu erwerben.“ Denn sie ist strikt gegen Integrationsverweigerung durch Isolation in Großfamilien und Gettoisierung in monoethnischen Biotopen. Grubitzsch will Begegnung auf Augenhöhe. Das, sagt sie, setze kulturelle Bildung voraus.

Dass es dabei zu Konflikten mit traditionellen Werten, Frauenbildern und konservativen Familienvorstellungen kommen kann, weiß sie. „Da meine Stiftung ja am Anfang Minderjährige fördert, also die Einwilligung der Eltern braucht, werden nur Mädchen aus Familien dabei sein, die schon offen und an gleichberechtigter Teilhabe interessiert sind.“

Grubitzsch selbst hat ihre Aktivitäten von der großen gesellschaftspolitischen Bühne in den privaten Bereich verlagert. „Ich mische mich nicht mehr in die Politik ein und habe auch einfach nicht mehr die große Schnauze von früher“, sagt sie, sieht aber eine Kontinuität in ihrer Biografie. „Schon an der Uni habe ich mich nie über meine Studentinnen geärgert, sondern bei jeder immer ihr individuelles Potenzial gesehen und gefördert. Das soll auch meine Stiftung leisten – das versuche ich zudem in meiner Praxis.“

Dort nutzt Grubitzsch ihren Ruhestand auch, um ihren therapeutischen Neigungen nachzugehen. Sie ließ sich zur Logopädin ausbilden und erwarb Zusatzqualifikationen beispielsweise in Bioenergetik, Poesie- und Bibliotherapie und berät nun vor allem Frauen, die mit Problemen zu ihr kommen. Sie will mit ihrer Klientel den „heilenden Aspekt der Sprache“ mittels Biografiearbeit nutzen.

Nach der Lehre Viktor ­Frankls macht sie heute Supervision, Coaching und Existenzanalyse und hat gerade ein Seminar geleitet, in dem durch kreatives Schreiben „die lebendige Beziehung zwischen Bäumen und Menschen ihren ganz individuellen Ausdruck finden“ sollte.

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