gerd augustin
: „Ich war immer Underground“

1965, gerade zurück aus den USA, entwickelte Gerd Augustin das Konzept für den „Beat-Club“ bei Radio Bremen, der ersten Musiksendung des deutschen Fernsehens. Nach der siebten Sendung wurde er als Moderator allerdings rausgekegelt, Begründung: Er hatte sich beim Bekanntgeben der Hitparade verlesen.

taz: Heute wird 40 Jahre Beat-Club gefeiert, ohne Gerd Augustin, den Moderator der ersten Stunde. Wie finden Sie das?

Gert Augustin: Es ist eine Sauerei – ich fühle mich um meine Lebensidee betrogen. Und wenn man schon die Frechheit hat, 23 Euro Eintritt für die Party im „Aladin“ zu nehmen, hätte man wenigstens auch die Bands von damals einladen sollen wie „Mushrooms“ oder die „Yankees“. Stattdessen spielen jetzt die Scorpions und Peter Maffay, die mit dem Beat-Club überhaupt nichts zu tun hatten.

Sie glauben gar nicht, wie sehr wir damals für diese Sendung kämpfen mussten. Jetzt wird sie millionenfach über Video und DVD verkauft. Für Radio Bremen ist es die größte Einkommensquelle, die der Sender je aus irgendeiner Produktion international erzielt hat.

Dafür haben Sie jetzt 400 Seiten auf den Markt gebracht, in dem Sie sich als „Pate des Krautrock“ darstellen. Inklusive intimer Details heute sehr bekannter Künstler.

Es gibt viele, die glaubten, sehr mit mir befreundet zu sein– so lange ich Teil des Business war. Das läuft eben so. Nehmen Sie Jörg Sonntag: Irgendwann ist er vom Kabelträger zum persönlichen Kaffeeholer des zuständigen Redakteurs bei Radio Bremen aufgestiegen [gemeint ist Mike Leckebusch, die Red.], jetzt gibt er sich als Mitgründer des Beat-Club aus. Wenn meine Brüste größer gewesen wären, wäre ich auch noch im Beat-Club.

Das Buch steckt voller schöner Zitate, eines auch von Augustin über Augustin: „Im Kirchenchor landete ich in der zweiten Reihe, obwohl ich so gern in der ersten Riege mitgespielt hätte“. Ist das ein Lebenstrauma?

Natürlich wäre ich gern ein wohlklingender Chorknabe geworden. Wenn meine Badewanne nach mir ruft, singe ich auch heute noch. Aber ansonsten enthalte ich mich selbst beim „Happy Birthday“ der Stimme.

Es findet sich auch das Zitat vom „Visionär der deutschen Rock- und Musikbranche“ ...

Das ist absolut gerechtfertigt.

Als „Director of Creative Services“ bei United Artists Records waren Sie sowohl für die Turners, Can und Popol Vuh als auch für Katja Ebstein und Michael Schanze verantwortlich. Wie passt das zusammen?

Ebstein und Schanze habe ich nicht selbst produziert, ich war nur für deren Marketing zuständig und habe sozusagen die Karrierewege koordiniert. Ich war immer Underground, nie im Schlagergeschäft.

Warum beinhaltet das Buch ein so ausführliches Drogen-Lexikon?

Weil die Leute die Unterschiede zwischen den Stoffen doch gar nicht mehr kennen! In der Essenz lehne ich Drogen ab, weil ich sie alle ausprobiert habe. Mit Ike Turner habe ich pfundweise Koks weg gemacht, aber heute würde man bei einem Haartest nichts mehr finden – das ist mehr als 30 Jahre her.

Ein Freund beschreibt Sie im Buch als „Mr. Pleasure von Hollywood – er kannte fast alle und sie kannten ihn“. Jetzt leben Sie ziemlich zurückgezogen in Marßel.

Ich trage mein Showbiz nicht mehr auf die Straße. In Bremen ist es auch schwierig, sich als internationale Persönlichkeit darzustellen. Man kann ja nicht immer mit Beweisstücken rumlaufen.

Ein Kritiker des renommierten „Musikexpress“ schreibt: Ihre erratisches Erzählen nach der Methode „Da fällt mir noch was ein“ mache Ihr Buch „enorm wirr, aber auch genauso unterhaltsam“.

Mit dieser Kritik kann ich gut leben. Ich habe eben meinen eigenen Schreibstil und Schreibrhythmus. Den sollte der Lektor auch so lassen und keinen Walzer draus machen.

Sie schreiben, Bremen sei Mitte der 60er die Hauptstadt die Hochburg der Beatmusik in Deutschland gewesen. Ist das nicht ein wenig übertrieben?

Überhaupt nicht! Hier gab es die Bands, hier gab es die Clubs. Und den „Beat-Club“. Der NDR in Hamburg hätte ja auch einen Beat-Club machen können – aber da gab es keinen Gerd Augustin.

Interview: HB